Die jungen Wissenschaftler/-innen der Deutschen Schillergesellschaft e. V. laden zur interdisziplinären Tagung im Deutschen Literaturarchiv Marbach ein.
Einsamkeit: Mal ist sie frei gewählt und mal – etwa im Lockdown – von außen auferlegt. Gerade junge Wissenschaftler/-innen haben in der aktuellen Pandemie zahlreiche Einsamkeitserfahrungen sammeln können und müssen. Die DSG bietet als literarische Gesellschaft einen Ort, um ›in guter Gesellschaft‹ weniger einsam zu sein. Diesen Ort möchten wir junge Wissenschaftler/-innen nutzen. Ganz real wollen wir im Deutschen Literaturarchiv Marbach zusammenkommen und mit unserer Tagung den Auftakt zur Gründung eines neuen Netzwerkes für junge und von jungen Wissenschaftler/-innen machen. Inhaltlich geht es bei dieser Auftaktveranstaltung um die Reflexion über Einsamkeit in der Theorie, der Literatur und Philosophie, aber auch um psychologische Aspekte der selbst erlebten Einsamkeit in der Wirklichkeit.
Organisator/-innen: Dîlan C. Çakir, Martin Kuhn, Felix Lempp, Nadine Redmer, Merisa Taranis, Viola Völlm, Dominik Wabersich.
Einreichungen der Abstracts bitte über das Portal.
Fragen und Anmeldungen ohne eigenen Beitrag bitte per Mail an: forschung@dla-marbach.de
CfP: (Literarische) Einsamkeitsreflexionen (03.–04.11.2022)
Marbach
Die jungen Wissenschaftler*innen der Deutschen Schillergesellschaft e. V.
laden zur interdisziplinären Tagung im Deutschen Literaturarchiv Marbach
Organisator*innen: Dîlan C. Çakir, Martin Kuhn, Felix Lempp, Nadine Redmer, Merisa
Taranis, Viola Völlm, Dominik Wabersich
Wissenschaftliche Netzwerke und Einsamkeit
Einsamkeit: Mal ist sie frei gewählt und mal – etwa im Lockdown – von außen auferlegt.
Gerade junge Wissenschaftler*innen haben in der aktuellen Pandemie zahlreiche
Einsamkeitserfahrungen sammeln können und müssen.
Die DSG bietet als literarische Gesellschaft einen Ort, um ›in guter Gesellschaft‹ weniger
einsam zu sein. Diesen Ort möchten wir junge Wissenschaftler*innen nutzen. Ganz real
wollen wir im Deutschen Literaturarchiv Marbach zusammenkommen und mit unserer
Tagung den Auftakt zur Gründung eines neuen Netzwerkes für junge und von jungen
Wissenschaftler*innen machen. Inhaltlich geht es bei dieser Auftaktveranstaltung um die
Reflexion über Einsamkeit in der Theorie, der Literatur und Philosophie, aber auch um
psychologische Aspekte der selbst erlebten Einsamkeit in der Wirklichkeit.
Erkannt wurde die Relevanz von Einsamkeit als konkretem Problem des literarischen und
wissenschaftlichen Lebens, Schreibens sowie Lesens auch schon vor der
Covid-19-Pandemie. Der Umgang mit sowie die Notwendigkeit zur Einsamkeit ist dabei für
jede Form des Schreibens und Lesens verschieden. Während die Schreibtischtätigkeit in
Isolation als Zeichen des Fleißes und der Diszipliniertheit gilt, ist der Austausch mit einem
Netzwerk für Wissenschaftler*innen am Anfang ihrer wissenschaftlichen Laufbahn mitunter
unerlässlich. Das mit unserer Tagung ausgegründete literaturwissenschaftliche Netzwerk will
diesen Austausch zwischen jungen Wissenschaftler*innen erleichtern und hierzu Mitglieder
unabhängig von organisationalen Anbindungen an etwaige Einrichtungen
zusammenbringen.
Die fortan mit Unterstützung der Deutschen Schillergesellschaft (DSG) im Deutschen
Literaturarchiv Marbach (DLA) jährlich abgehaltene Tagung soll jungen
Wissenschaftler*innen die Teilnahme an fachwissenschaftlichen Vorträgen, ein
Kennenlernen des DLA und seiner Museen sowie die Diskussion von über das Fachliche
hinausgehenden, junge Wissenschaftler*innen betreffenden Themen ermöglichen.
Das Netzwerk will so einerseits zum (fach-)wissenschaftlichen Dialog einladen, andererseits
Möglichkeiten zum freien und informellen Austausch rund um Karrierepfade und Hürden
während und nach der Qualifikationszeit zwischen Teilnehmenden und Expert*innen
eröffnen. In diesem Rahmen stehen auch Skill-Workshops im Angebot. Die in dieser Form
erste Tagung findet vom 3. bis 4. November 2022 statt und widmet sich aus verschiedenen
Perspektiven dem Oberthema »Einsamkeitsreflexionen«. Die Tagung setzt sich aus vier
Teilen zusammen:
1. Wissenschaftliche Vorträge über Einsamkeitsreflexionen (interdisziplinär)
2. Workshop zur mentalen Gesundheit von Forschenden
3. Führung durch das Archiv und die Museen in Marbach
4. Abendveranstaltung mit Lesung
Für die wissenschaftlichen Vorträge (für 1.) bitten wir um Abstracts (max. 300 Wörter; für
einen 20-minütigen Vortrag zusammen mit einer Kurzvita) zum Thema
»Einsamkeitsreflexionen«. Eine Teilnahme ohne eigenen Beitrag ist ebenso möglich.
Einreichende müssen nicht Mitglied in der Deutschen Schillergesellschaft e.V. oder
Schillerforscher*innen sein. Externe Beiträge sind ausdrücklich willkommen!
● Die Beiträge können in deutscher oder englischer Sprache abgehalten werden.
● Deadline für Einreichungen: 31.03.2022
● Einreichungen der Abstracts bitte über dieses Portal
● Rückfragen und Anmeldungen (für die Teilnahme ohne eigenen Beitrag) bitte per
E-Mail an: forschung@dla-marbach.de
● Die Tagung ist als Präsenzveranstaltung konzipiert.
Das Erkenntnisinteresse der Beiträge sollte sich an folgenden Überlegungen orientieren:
(Literarische) Einsamkeitsreflexionen
Mittlerweile liefern Suchmaschinen für den Begriff »Einsamkeit« bevorzugt Publikationen,
die die Pandemie betreffen, doch die Tagung soll Einsamkeitsreflexionen in Literatur,
Philosophie und Kunst auch über den unmittelbaren Kontext von Covid-19 hinaus
thematisieren.
Einsamkeit ist ein mehrdeutiges Phänomen: Wird sie einerseits als Ausschluss aus einer
Gesellschaft, Vereinsamung, Diskriminierung oder sozialer Schmerz verstanden, betonen
positiv konnotierte Einsamkeitskonzepte im Besonderen die individuellen Freiheits- und
Autonomieerfahrungen.
Welche Formen und Ausprägungen der Einsamkeit sind zu verschiedenen Zeiten und Orten
vorherrschend und wie werden sie individuell erfahren bzw. literarisch modelliert? Wer sucht
Einsamkeit, wer meidet sie? Handelt es sich bei Einsamkeit um ein Mittel, das Kreativität
und Selbstreflexion anregt, oder um ein elitäres Privileg, das egoistische und antisoziale
Gesinnungen einschließt? In welcher Beziehung steht es zu verwandten Konzepten wie
Langeweile oder Alleinsein? Wann ist die Geselligkeit der Einsamkeit vorzuziehen? Gibt es
eine ›Ästhetik der Einsamkeit‹? Gibt es historische ›Trends‹, die sich durch eine verstärkte
Verwendung bestimmter Motive, oder Erzählmuster belegen lassen? Wer schreibt eigentlich
über Einsamkeit? Inwiefern sind Literaturproduktion und -rezeption einsame Tätigkeiten
bzw. Formen »interaktionsfreier Kommunikation« (Luhmann)? Wie werden wissenschaftliche
Erkenntnisse in der soziologischen und psychopathologischen Einsamkeitsforschung in
Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung literarisiert? Hat Einsamkeit ein Geschlecht?
Inwieweit definiert sich die Einsamkeit als ein Sehnsuchtsort?
In ihrer konzeptionellen Ambivalenz ist Einsamkeit auch für das literarische Feld relevant:
Das Nachdenken über Einsamkeit und Literatur kann sich dabei auf die thematische, die
rezeptions- oder produktionsästhetische Ebene beziehen. So werden der Leseakt oder das
Denken genauso wie das literarische Schreiben seit der Neuzeit nicht nur als einsame
Tätigkeiten aufgefasst. Man denke etwa an Platonische Dialoge, die konträrer zum
einsamen Genie stehen.
Schon im 18. Jahrhundert bedient die Literatur der Aufklärungszeit das Problemfeld:
Jean-Jacques Rousseau fordert etwa in seinen »Rêveries du promeneur solitaire« (1782)
zum Zweck der Selbsteinkehr den bewussten Rückzug in die Einsamkeit, Sophie von La
Roche beginnt aus dem Zustand der Einsamkeit und Langeweile heraus ihr Hauptwerk
»Geschichte des Fräuleins von Sternheim« (1771) zu schreiben und neben Christian Grave
oder Joseph von Sonnenfels widmet sich im 18. Jahrhundert auch der Popularphilosoph
Johann Georg Zimmermann in mehreren Versuchen der Einsamkeit, wobei auch er gegen
die einsame Kontemplation den menschlichen »Trieb zur Geselligkeit« setzt.
Romantische Einzelgänger*innen wie Ludwig Tiecks Christian suchen ihren Weg zwischen
gesellschaftlicher Integration durch Eheschließung und einsamen Wanderungen um den
Runenberg (1804). Solche einsamen Reisenden wie auch Heinrich Heines Wanderer sind
zahlreich, schon in Sophie Mereaus »Blüthenalter der Empfindungen« (1794) steht das Bild
der Geliebten dem Protagonisten Albert im einsamen Pariser Zimmer besonders klar vor
Augen. Daneben ›glorifizieren‹ Gemälde jener Zeit die Einsamkeit, etwa in Caspar David
Friedrichs Landschaftsbildern – wohingegen Edward Hoppers Bilder im 20. Jahrhundert eher
eine düstere oder unheilvolle Leere um Figuren zeigen. Bei Friedrich Hölderlin kommt durch
die Selbstvereinsamung in seinem Tübinger Turm ein pathologischer Aspekt der Einsamkeit
zur Literaturproduktion im 18./19. Jahrhundert hinzu.
Kontemplation und Kreativität in Einsamkeit sowie Sehnsucht nach Anerkennung und
Geborgenheit in der Gesellschaft stecken auch für die folgenden Jahrhunderte das Feld ab,
auf dem sich literarische Einsamkeitsreflexionen bewegen.
Rainer Maria Rilke rät dem jungen Schriftsteller Franz Xaver Kappus in seinen »Briefen an
einen jungen Dichter« (1929), die Schwere der Einsamkeit für das Schreiben zu nutzen, und
Stefan Zweig demonstriert in seiner »Schachnovelle« (1944) an der Figur Dr. B., welche
psychopathologischen Folgen eine erzwungene Isolation haben kann. Im Exil suchen
Autor*innen Beistand aus der Einsamkeit heraus und bemühen sich um Netzwerke – so
drängt etwa Hilde Domin permanent ihre Freundin Nelly Sachs, sie bei ihrer Karriere zu
unterstützen. Auch in aktuellen postmigrantischen Texten wie Deniz Ohdes Roman
»Streulicht« (2020) oder Sasha Marianna Salzmanns Theatertext »Wir Zöpfe« (2014) lässt
sich die Einsamkeit der Protagonist*innen oftmals als Daseinsmodus deuten, der ihren
Zustand im Zwischenraum, gespalten zwischen Heimatland der (Groß-)Elterngeneration und
eigenem Geburtsland, inszeniert. Dem Erzähler in Marius Goldhorns »Park« (2020)
wiederum begegnet Einsamkeit als Gefühl der Vereinsamung, sodass er trotz der
Vernetzungseffekte von Globalisierung und Digitalisierung die Welt nur passiv
wahrzunehmen scheint.
Dieser kurze Streifzug durch die Literatur- und Kulturgeschichte ist weder erschöpfend noch
in der Auswahl seiner Stationen zwingend, zeigt aber die vielfältige Funktionalisierbarkeit
des Einsamkeitsmotivs. Einsamkeit findet sich inszeniert als Bedingung schöpferischer
Kreativität, Mittel der Glaubens- und Seelenerkundung oder Modus der vertiefenden
Naturerschließung und Selbsterkenntnis einerseits, als Ergebnis gesellschaftlicher
Entfremdung, Lebensweise der Melancholie oder Auswirkung von Diskriminierung und
Exklusion andererseits. Wir wollen die Einsamkeit also auffächern: alles, was zwischen der
erzwungen und selbstgewählten Einsamkeit liegt, beleuchten.
Weitere Informationen zur Arbeit der Deutschen Schillergesellschaft e.V.:
https://www.dla-marbach.de/ueber-uns/traegerverein-dsg/
0 Replies