DAS FORSCHUNGSZENTRUM „NON-ANTHROPOCENTRIC CULTURAL SUBJECTIVITY” DER EXZELLENZINITIATIVE DER UNIVERSITÄT WARSCHAU,
DAS INSTITUT FÜR NEUPHILOLOGIE DER PÄDAGOGISCHEN UNIVERSITÄT KRAKAU, DAS INSTITUT FÜR GERMANISTIK DER UNIVERSITÄT WARSCHAU
UND DER BOTANISCHE GARTEN DER UNIVERSITÄT WARSCHAU
IN KOOPERATION MIT
DEPARTMENT OF ENGLISH, UNIVERSITY OF CALIFORNIA LOS ANGELES,
DEM INSTITUT FÜR MEDIENKULTURWISSENSCHAFT, ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG
SOWIE DER FORSCHUNGSGRUPPE LITLINAL, DEPARTAMENTO DE FILOLOGÍA INGLESA Y ALEMANA, UNIVERSIDADE DE SANTIAGO DE COMPOSTELA
laden herzlich zur Teilnahme an der Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz „Literatur und Botanik” ein. Die Konferenz wird vom 20. bis 22. Mai 2022 in einem hybriden Format stattfinden: in Warschau und über die ZOOM-Plattform.
Pflanzen bildeten bereits in der frühen Phase der Kulturgeschichte einen wesentlichen Bestandteil des symbolischen Imaginariums der Menschen, vor allem im mythologisch-religiösem Bereich. Dem Topos vom Weltenbaum als kosmische Axis mundi, zu dessen Varianten auch der Baum des Lebens im biblischen Garten zu Eden sowie seine vitalistischen Figurationen als kabbalistischer Etz Chaim gehören, begegnen wir in den Mythen beinahe aller Kulturkreise, vom Fusang-Baum im alten China und dem Schaluppu- Baum der Sumerer bis hin zu der Esche Yggdrasil der nordischen Sagen. Parallel dazu spielten Kultpflanzen wie das vedische Soma oder das altiranische Haoma auch eine bewusstseinserweiternde Rolle im liturgischen Umgang des Menschen mit der geistigen Welt.
Mit der Entstehung der Phytotherapie entwickelte sich auch sehr schnell eine systematische Erkundung der Pflanzenwelt und deren Relation zum menschlichen Körper, in der die Ursprünge der wissenschaftlichen Botanik zu suchen sind. Als ihr Vater wird im westlichen Kulturkreis meist Theophrast von Eresos (ca. 371–287 v. u. Z.) genannt, der mit seinem Hauptwerk Περὶ φυτῶν ἱστορία (lat. Historia plantarum) Grundlagen für die wissenschaftliche Erfassung des Pflanzenreiches geschaffen hatte, die ihren Einfluss bis in die Frühe Neuzeit bewahrten. Das europäische Mittelalter bringt dann eine ganze Reihe von pflanzenheilkundigen Herbarien und Enzyklopädien hervor (Liber de cultura hortorum Walahfrids von der Reichenau, Physica Hildegards von Bingen, De Vegetabilibus des Albertus Magnus, Buch der Natur Konrads von Megensberg), die nicht selten – neben ihrem Erkenntniswert – wahre Gesamtkunstwerke sind.
Einen Höhepunkt der Verflechtung von Dichtung und Naturwissenschaft markiert in der Neuzeit das Gedicht Die Alpen Albrecht von Hallers (1729), in dem der botanisch fachkundige Autor zahlreiche Fußnoten verwendet, um die in seinen Versen thematisierten Pflanzen wissenschaftlich zu beschreiben. In Hallers Lehrgedicht klingen dieselben idyllischen Patterns nach, die in der seit der Renaissance aufblühenden und im europäischen Barock stark vertretenen Pastoraldichtung das Bild des Gartens als locus amoenus festigten. Terry Giffords einflussreiches Buch zu dieser literarischen Tradition (Pastoral, Routledge 1999) schlägt dabei wichtige Verbindung zu den postpastoralen Formen der Gegenwartsliteratur, in denen der ökologische Kontext immer bedeutender wird. Denn je naturfremder und industrialisierter die Landschaft wird, umso stärker manifestiert sich in der Literatur die Sehnsucht nach dem ‚Garten Eden‘, dessen Figuration gleichermaßen afrikanischer Dschungel, viktorianisches Treibhaus wie abgelegenes Dorf in der ungarischen Puszta werden können.
Das (post)moderne Denken über das Verhältnis von Menschen und ihrer pflanzlichen Umwelt ist weitgehend vom ökokritischen Diskurs bestimmt, der im Zuge der Entwicklung von Environmental Humanities etwa zur Etablierung des (zum gängigen „Anthropozän“ alternativen) Begriffs des „Plantatiozäns“ (Anna Tsing) für die Bezeichnung unseres Zeitalters führte. Auch wenn der Begriff Plantatiozän nicht direkt vom Wort Pflanze/Plant kommt, ist es kein Zufall, dass die Wurzel der Begriffe dieselbe ist: Unbezahlte Sklavenarbeit, die Tsings Begriff zugrunde liegt, wurde schließlich weitgehend mit dem Ziel verwendet, die Produktion bestimmter Pflanzen zu steigern. Die darauf zurückzuführende Problematik der durch die landwirtschaftlichen pflanzlichen Monokulturen bedrohten Biodiversität und die massenhafte Abholzung der Regenwälder bestimmt weitgehend nicht nur den öffentlichen und akademischen Diskurs um die gegenwärtigen ökologischen Fragestellungen angesichts der planetaren Klimakatastrophe, sondern werden auch zu festen Bestandteilen von literarischen Texten des „sich seiner selbst bewussten Anthropozäns“ (Lynn Keller). Einen besonderen Stellenwert haben dabei literarische Entwürfe einer pflanzen-menschlichen symbiotischen Kommunikation, zu denen etwa der 2019 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Roman Die Wurzeln des Lebens von Richard Powers gehört.
In Anlehnung an die diachronisch weit reichenden künstlerischen Repräsentationen der Pflanzen und deren Verschränkungen mit der Welt des Menschen sowie die vielfältigen wissenschaftlichen und literarischen Diskurse um die Pflanzenwelt laden wir zur Einreichung von Themenvorschlägen ein, die etwa folgende Fragestellungen berücksichtigen:
- Pflanzen in Mythen über den Ursprung der Welt und des Menschen,
- Symbolik der Pflanzen in der Literatur,
- das Bild von Wald und Garten in der Literatur,
- Pflanzen in der Volksliteratur (z. B. im ethnobotanischen Horizont),
- Pflanzen und der Topos locus amoenus,
- Pflanzen als Inspirationsquelle für kulturelle Schöpfungen,
- Anthropomorphisierung der Flora und Bilder vom Menschen als Pflanze,
- pflanzlich-menschliche Hybride in der literarischen Tradition,
- Botanik und Ökopoetik,
- Pflanzen in einer posthumanistischen Perspektive,
- Botanik und Environmental Humanities in einem literarischen Kontext,
- botanische Literatur,
- botanische Abbildungen in der Literatur.
Konferenzsprachen sind Englisch, Deutsch und Polnisch. Vortragsdauer: bis 20 Min. mit anschließender Diskussion von 10 Min.
Konferenzgebühr: 200 PLN / 50 EUR.
Publikation: Texte in deutscher und englischer Sprache, nach den vorgelegten editorischen Vorgaben formatiert, werden nach positiver Begutachtung durch die Herausgeber und Rezensent/innen in der Reihe »Culture – Environment – Society: Humanities and beyond« im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (BRILL Deutschland) veröffentlicht. Geplant ist auch die Veröffentlichung eines mehrsprachigen monographischen Bandes in der Reihe „Literatura – Konteksty” (Literatur – Kontexte), der vom Verlag der Universität Warschau oder der Pädagogischen Universität Krakau herausgegeben wird.
Anmeldung: bis zum 31. Januar 2022
Alle Interessierten werden gebeten, das Anmeldeformular (erhältlich unter https://nonanthro.uw.edu.pl/en/conferences/literature- contexts-posthumanism/literature-and-botany/ auszufüllen und an die E-Mail-Adresse: literature.botany@gmail.com zu schicken. Über die Annahme Ihres Beitragsvorschlags und weitere organisatorische Details werden Sie bis 28. Februar 2022 informiert.
Im Namen des Organisationskomitees Prof. Dr. Joanna Godlewicz-Adamiec (Universität Warschau) Prof. Dr. Paweł Piszczatowski (Universität Warschau) Dr. Tomasz Szybisty (Pädagogische Universität Krakau)
Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt
Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Nils Gelker] betreut – editorial-germanistik@mail.h-net.msu.edu
0 Replies