Die mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen verbundenen Erfahrungen von Unsicherheit werden nicht selten durch erhöhte Aggressivität kompensiert. Diese Beobachtung trifft nicht nur für die Gegenwart zu, sondern auch für das 16. Jahrhundert, das mit der Reformation einen Transformationsprozess par excellence aufweist. Die teils sehr derben Beleidigungen und Herabsetzungen, die für heutige Leser oft peinlich wirken, sind jedoch als eigene soziale und ästhetische Praxis zu verstehen, die einer eigenen Logik folgt und klare soziale und ästhetische Funktionen zu erfüllen hat.
Im Workshop sollen sowohl das kulturwissenschaftliche Konzept der Invektivität als auch konkrete Fallbeispiele diskutiert werden. Im Fokus stehen dabei exemplarische Schriften, die gegen Martin Luther und die Reformatoren gerichtet waren, insbesondere von Thomas Murner, Johannes Cochlaeus, Kilian Leib und Ambrosius Catharinus Politi. Demgegenüber werden mit den Kontroversen Ulrichs von Hutten, der „Lügende“ und illustrierten Flugschriften auch polemische Formen der reformatorischen Seite näher analysiert.
Der Hybrid-Workshop wird von Prof. Dr. Bernward Schmidt und Prof. Dr. Isabelle Stauffer organisiert, gefördert durch das KU Zentrum Religion, Kirche, Gesellschaft im Wandel (ZRKG), in Kooperation mit dem Reformation Research Consortium (REFORC) und findet in der Hofgartenbibliothek in Eichstätt vom Freitag, den 12.11.2021 bis Samstag, den 13.11.2021 statt.
Um Anmeldung wird gebeten. Die Online-Zugangsdaten werden bei Anmeldung bekanntgegeben.
Programm
Freitag, 12. November 2021
14.00-14.15 Bernward Schmidt, Isabelle Stauffer (Eichstätt)
Begrüßung und Einführung
Moderation: PD Dr. Alexander Denzler (KU Eichstätt)
14.15-15.00 Tarald Rasmussen (Oslo)
Luther und Ambrosius Catharinus Politi
15.00-15.45 Isabelle Stauffer (Eichstätt)
Immer Ärger mit dem Grobian. Die Auseinandersetzung zwischen Martin Luther und Thomas Murner
16.15-17.00 Christiane Caemmerer (Berlin)
Papstesel und Säuwerk – Beschimpfungen in Wort und Bild in den Einblattdrucken und Flugblättern der Reformationszeit
Samstag, 13. November 2021
Moderation: Prof. Dr. Silvia Serena Tschopp (Augsburg)
9.00-09.45 Antje Sablotny (Dresden)
"zu grob gewest“. Metainvektivität im interkonfessionellen Streit um das Erzählen vom Heiligen im 16. Jh.
9.45-10.30 Cora Dietl (Gießen)
Eine polemische Rekonstruktion der Memoria: die „Historia Martini Lutheri“ des Johannes Cochläus
11.00-11.45 Bernward Schmidt (Eichstätt)
Invektivität und Deutungsmacht. Der Religionskonflikt in Kilian Leibs „Annales maiores“
11.45-12.15 Schlussdiskussion
Kontakt
0 Replies