Call for Papers
Faszination Nibelungen −
Präsenz und Vermittlung eines multimedialen Mythos
Transdisziplinäre Studientagung und Lehrerfortbildung an der Universität Passau
vom 24. bis 26. September 2020
Das Nibelungenlied − einer der bedeutendsten Texte des Mittelalters, zugleich Weltliteratur und lange Zeit deutscher Nationalmythos − ist heute fesselnd wie vor über 800 Jahren. Uns faszinieren daran vor allem die menschlichen Grundkonflikte: Liebe und Hass, Treue und Verrat – und wie unterschiedlich diese von den Rezipierenden gesehen und bewertet wurden.
Der zunächst mündlich tradierte und dann textuell vermittelte Nibelungen-Mythos hat schon immer die Imagination der Menschen stimuliert und bereits seit dem Mittelalter zu einer Veranschaulichung in verschiedenen Texten und Medien herausgefordert. Im deutschsprachigen Raum wurde der Mythos um 1200 im Nibelungenlied schriftlich fixiert. Außergewöhnlich schnell, nur wenige Jahre danach, setzt eine intensive Rezeptionswelle ein, in der Handschriftenvarianten und ein erster Illustrationszyklus entstehen. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts geriet das Nibelungenlied allerdings für rund 250 Jahre in Vergessenheit, bis es in der Version der Handschrift C im Jahre 1755 wiederentdeckt wurde. Damit beginnt die zweite Phase einer lebhaften, facettenreichen und zunehmend auch von modernen Medien geprägten Rezeptionsgeschichte, deren Spuren noch heute in Form von literarischen Adaptionen, in Opern- und Theateraufführungen, in Comics, Fantasy-Romanen, Film- und Fernsehproduktionen oder in der Gamekultur wahrgenommen werden können. Die Omnipräsenz der Nibelungen vom Mittelalter bis in die Gegenwart dokumentiert eindrücklich das Faszinationspotential des Mythos. Seine Wirkmächtigkeit begründet noch heute seine Behandlung im schulischen Unterricht. Andererseits ist der Nibelungen-Mythos in verschiedenen Phasen der nationalen Rezeptionsgeschichte durch seine propagandistische Vereinnahmung oder die Affirmation stereotyper Vorstellungen von Geschlechter- und Machtkonstellationen hochproblematisch. Verschiedene Rezeptionszeugnisse gilt es daher, mit Blick auf diese Implikationen, kritisch zu durchleuchten.
Die Tagung an der Universität Passau hat zum Ziel, die multimediale Präsenz des Nibelungen-Mythos vom Mittelalter bis in die Gegenwart zu untersuchen und dessen Potential neu auszuloten. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf der Vermittlung in der Schule und einer breiteren Öffentlichkeit liegen. Der dabei anvisierte Brückenschlag zwischen der Älteren Deutschen Literaturwissenschaft, der Deutsch-Didaktik sowie weiteren literatur- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen soll dabei nicht zuletzt zeigen, dass der Nibelungen-Mythos bis heute ein lohnender Gegenstand für eine wissenschaftliche und praxisorientierte Auseinandersetzung ist.
In Keynotes werden einzelne Themenfelder wie die wissenschaftliche, multimediale und populärkulturelle Präsenz, die didaktische Vermittlung oder die museale Präsentation des Nibelungen-Mythos aus der Perspektive ausgewiesener Expertinnen und Experten vorgestellt, um grundlegende Verbindungslinien zwischen Theorie, Forschung und Praxis herzustellen.
Da die Tagung im Format einer Studientagung und Lehrerfortbildung durchgeführt wird, sind als weitere Beiträge Einzelvorträge, Workshops sowie Posterpräsentationen vorgesehen. Bevorzugt Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler wird in 30-minütigen Vorträgen bzw. in kurzen Posterpräsentationen Gelegenheit gegeben, neue Konzepte und Ideen exemplarisch vorzustellen und zu diskutieren. Die Nachmittage der Tagung widmen sich schwerpunktmäßig der Unterrichtspraxis und sind als Lehrerfortbildung für Lehrkräfte konzipiert, die an Grundschulen, Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien unterrichten. Jeweils 90-minütige Workshops sollen sich mit bewährten und zugleich innovativen Modellen für die Primarstufe sowie für die Sekundarstufen I und II beschäftigen und ermöglichen durch aktive Beteiligung der Lehrkräfte die intensive Auseinandersetzung mit einem prominenten Themenschwerpunkt aus dem Nibelungen-Mythos, einer spezifischen Fragestellung oder einem konkreten Beispiel der Nibelungen-Rezeption.
Der rote Faden, der alle Beiträge verbindet, soll der Nibelungen-Mythos in der Version des um 1200 verschriftlichten Nibelungenliedes sein. Darüber hinaus sind Schwerpunktbildungen mit Blick auf spezifische Themen (Gefühle, Gewalt, Verrat etc.), auf verschiedene literatur- und kulturwissenschaftliche Ansätze (Gender Studies, Intersektionalität, Mediensemiotik, Narratologie, Performativität etc.) oder mit einem besonderem Fokus auf die didaktischen Vermittlungsprozesse unter Einbezug aktueller literatur-, sprach- und mediendidaktischer Konzepte und Theoriebildungen denkbar. Neben Beiträgen zu mittelalterlichen Versionen des Nibelungen-Mythos von den Leithandschriften A,B und C des UNESCO-Weltdokumentenerbes über die Illustrationen im Hundeshagenschen Codex bis hin zu Hans Sachsʼ Tragödienbearbeitung sind auch Beiträge zu modernen Rezeptionsweisen in Artefakten, Bildern, Kinder- und Jugendliteratur, Computerspielen, Fantasy, Filmen, Comics und Graphic Novels, Museen, Musik, Performances, Serienformaten oder Theaterinszenierungen willkommen. Bei didaktischen Arrangements ist zu beachten, dass ältere Texte und Medien noch erhältlich sind und zu unterrichtlichen Zwecken sinnvoll einsetzbar sein sollten.
Aussagekräftige Exposés zu einem der drei Beitragsformate (Vortrag, Poster, Workshop) im Um-fang von nicht mehr als einer Seite schicken Sie bitte zusammen mit kurzen Angaben zur Person bis zum 15. März 2020 an karla.mueller@uni-passau.de und andrea.sieber@uni-passau.de. Eine Rückmeldung über die Annahme der Beiträge erfolgt bis zum 15. Mai 2020. Für angenommene Beiträge können voraussichtlich Reise- und Übernachtungskosten übernommen werden.
Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt
Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Nils Gelker] betreut – editorial-germanistik@mail.h-net.msu.edu
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