ANK: Aufklärung und Exzess. Epistemologie und Ästhetik des Übermäßigen im 18. Jahrhundert, Berlin (16. – 18.01.2020)

Peter Wittemann Discussion

Programm

Donnerstag, 16.1.2020

14.00 Bernadette Grubner / Peter Wittemann: Begrüßung, Einführung

Panel 1: Exzess als epistemologische Herausforderung

14.30 Christiane Frey: Zu viele Partikularien. Vom Umgang mit Kleinigkeiten um 1670
15.45 Frauke Berndt: Ästhetik als Exzess: A. G. Baumgarten
16.30 Peter Wittemann: Vom Saufen. Anthropologie, Publizistik und Gin Craze um 1750
18.00 Abendvortrag: Niklaus Largier: Die Ambivalenz der Sinne: Zwischen asketischer Einbildung, Schwärmerei und poetischer Form

Freitag, 17.1.2020

Panel 2: Exzesse des Denkens / Grenzen des Subjekts

09.30 Johanna Schumm: Ausschweifender Witz. Vor- und Nachgeschichten einer anderen Vernunft
10.15 Bernadette Grubner: Über alle Begriffe. Genießen im Pantheismusstreit
11.30 Alice Stašková: De Sade: La Philosophie dans le boudoir – Exzess und Struktur
12.15 Martin Bäumel: Das soziale Ich und der Exzess (in) der Lyrik: Gleim und Karsch

Panel 3: Exzess in Poetik und Poetologie

14.30 Sebastian Meixner: Ambivalenz des Exzesses: Maß und Unmaß bei Gottsched
15.15 Roman Barton: Listen ohne Ende. Enumeration und Exzess im britischen Roman des 18. Jahrhunderts
16.30 Roman Kuhn: La poésie, chose très nécessaire. Voltaire und die Debatte über das rechte Maß in der Dichtung
17.15 Claudia Olk: »Beyond too much« – Shakespeare’sche Exzesse auf deutschen Bühnen im 18. Jahrhundert

Samstag, 18.1.2020

Panel 4: Maßhaltung: Diätetik/Luxus

10.00 Raphael J. Müller: »Ihre Donna ist ihr Liebling, trockne Bücher ihre Lust«: Luxushunde im europäischen Rokoko
10.45 Carsten Zelle: Exzess und Mäßigung in Goethes Der Mann von funfzig Jahren
11.30 Ruth Signer: Die Relationalität des Luxus bei Jean-Jacques Rousseau


Abstract: Exzess, Überschreitung und Überfluss sind Phänomene, die einem Kernideal bürgerlicher Aufklärung widersprechen: der Forderung nach Mäßigung. So formuliert etwa Voltaire in seinem Discours sur la modération: »Tout vouloir est d’un fou, l’excès est son partage : / La modération est le trésor du sage« – eine Maxime, die in Ökonomie, Diätetik und Ästhetik gleichermaßen auf Resonanz stieß. Allerdings herrschte über ›das rechte Maß‹ alles andere als Einigkeit; vielmehr wurde es im 18. Jahrhundert zum Gegenstand kritischer Aushandlung. In gesamteuropäischen Debatten, zum Beispiel über den Luxus oder den Enthusiasmus, wurden intensive – und medial durchaus exzessive – Diskussionen darüber geführt. Aus heutiger Sicht gibt es hier eine deutliche Verbindung zur in sich konfliktuellen (Neu-)Begründung des modernen Subjekts.

Die Forschung kann in Bezug auf das Übermäßige im 18. Jahrhundert an zahlreichen Stellen ansetzen: So fanden etwa wissenspoetologische Transfers zwischen »Physiologie, Pathologie, Moralphilosophie und Ästhetik« (Platner) im Exzessiven einen fruchtbaren Gegenstand. Fragen der Subjektbildung, die sich vor dem Hintergrund des sozialen und medialen Wandels neu stellten, wurden mithilfe der Denkfigur der Grenzsetzung und ‑überschreitung ausgelotet. Das damit einhergehende Übermaß zum Beispiel in der individuellen diätetischen Praxis (Schwärmerei), aber auch überschießender Datenmengen (information overload) auf allen Feldern der Wissenschaft, machte neue Strategien zu seiner Ordnung, Darstellung und Bewältigung notwendig. Und auch die Darstellung selbst – also der Umgang mit dem ›Zu viel‹ auf rhetorischer, poetologischer und ästhetischer Ebene – stand zur Debatte, und zwar als explizit ästhetisches Problem ebenso wie hinsichtlich der Verfahrensweisen. Diese epistemologischen, sozialen und medialen Verlagerungen rund um das Exzessive im 18. Jahrhundert werden aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet mit dem Ziel, aktuelle Perspektiven der Aufklärungsforschung miteinander in Dialog zu bringen.

Tagungsort

Freie Universität Berlin, Seminarzentrum
Raum L 116
Otto-von-Simson-Str. 26
14195 Berlin

Die Tagung ist öffentlich, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Weitere Informationen: bernadette.grubner@fu-berlin.de, peter.wittemann@unige.ch


Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt

Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Nils Gelker] betreut – editorial-germanistik@mail.h-net.msu.edu