CFP: Germanistentag 2019 - Panel: Zeitumstellungen. Formen und Funktionen literarischer Zeitstrukturen am Übergang zwischen Romantik und Zwischenphase, Saarbrücken (22.07.2018)

Stefan Tetzlaff Discussion

Das von Stephan Brössel (Münster) und Stefan Tetzlaff (Kassel) geleitete Panel nimmt mit der Zeit von etwa 1825-1835 den Ausgang der Romantik und den Eintritt in die ‚Zwischenphase‘ (Sottong 1992) in Augenschein und fragt danach, wie sich literarischer Wandel in literarischen Repräsentationen von Zeit abbildet. Dabei wird von der Beobachtung ausgegangen, dass Zeit gerade in solchen Schreibweisen dominant auftritt, die den eigenen Umbruchszustand verhandeln. Dies wird an der Korrelation von Zeit und Psyche (Lukas 1996), dem Umgang mit ‚Fremdräumen‘ (Tetzlaff 2016), der Ausbildung des Zeitromans (Göttsche 2001), der Form historischen Erzählens (Sottong 1992) sowie der Neukonzeption von Zukunft (vor allem in Auseinandersetzung mit der Vergangenheit) (Brössel 2016; 2017) deutlich. In jedem Fall wird die Ablösung von der Goethezeit an Fragen der literarischen Zeit abgehandelt.

Im Zuge dieser Umstellung schließlich differenziert sich das literarische Feld in verschiedene Subsysteme aus, die experimentell ausgerichtet, kaum trennscharf und nicht mehr einheitlich erfassbar sind. Anthropologische und poetologische Modelle wie der Bildungsroman oder die Autonomieästhetik werden in Vormärz, Biedermeier und Jungem Deutschland zwar weitergeführt, zugleich aber als nicht tragfähig ausgestellt. Der noch immer tendenziell provisorische Blick auf diese Gemengelage wechselt dabei zwischen der Beschreibung als Rückbau des Vergangenen (‚Ent-Romantisierung‘) und solchen als Zwischenphase, die ihre eigene Vorläufigkeit thematisiert.

Fundamentale Fragen, die sich in diesem Kontext stellen, formieren hauptsächlich zwei Felder:

1. Inwiefern werden aus der Goethezeit stammende literarische Ausprägungen von Zeit und Zeitlichkeit aufgegriffen und als rückblickende Reflexion problematisiert? Und komplementär dazu: 2. In welchen Strukturkomplexen treten ‚Zeitumstellungen‘ progressiv als Entwurf neuer Konzepte auf?

Mit diesen Fragen ist der Blick des Panels jeweils darauf gerichtet, auf welchen Ebenen sich ein Umgang mit Zeit äußert und welche Modelle von Zeit und Zeitlichkeit in welchen Bezügen verhandelt werden.

 

Exposés für Vorträge im Umfang von 20 Min. (anschließende Diskussion à 10 Min.) werden bis zum *22.07.2018* erbeten an s.broessel@uni-muenster.de oder stefan.tetzlaff@wwu.de.


Auswahlbibliographie

Brössel, Stephan (2016): Selbstreflexives Biedermeier: Kunstreflexion und Selbstreferenzialität in Friedrich Theodor Vischers Cordelia (1836)“. In: Kodikas/Code. Ars Semeiotica 39/3−4 (2016), S. 252-272.

Brössel, Stephan (2017): „Zeitreflexion in der ‚Zwischenphase‘: Zu den Modellen restaurativer und negierter Zukunft in Erzähltexten 1830−1850“. In: Rüdiger Nutt-Kofoth (Hg.): Literaturgeschichte als Problemfall. Zum literaturhistorischen Ort Annette von Droste-Hülshoffs und der ‚biedermeierlichen‘ Autoren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 151−182.

Decker, Jan-Oliver (2005): „Selbstreflexion literarischen Wandels. Zu Heines Nordsee-Zyklen im Buch der Lieder (1844)“. In: Zeitschrift für Semiotik 27, 1−2, S. 45−64.

Frank, Gustav (1998): Krise und Experiment. Komplexe Erzähltexte im literarischen Umbruch des 19. Jahrhunderts. Wiesbaden.

Kremer, Detlef/Andreas B. Kilcher: Romantik. Lehrbuch Germanistik. 4., aktualisierte Aufl. Stuttgart/Weimar 2015.

Lukas, Wolfgang (1998a): „Novellistik“. In: Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 5 Zwischen Revolution und Restauration. 1815–1848. Hg. v. Gert Sautermeister und Ulrich Schmid. München: Hanser 1998, S. 251−280, 643−648.

Lukas, Wolfgang: „Zeit und Psyche. Zwei problematisierte Größen in den Erzählliteratur zwischen Goethezeit und Realismus“. In: Kodikas/Code. Ars Semeiotica. An International Journal of Semiotics 19 (1996), S. 165−182.

Göttsche, Dirk: Zeit im Roman. Literarische Zeitreflexion und die Geschichte des Zeitromans im späten 18. und 19. Jahrhundert. München 2001.

Schönert, Jörg: „1815−1848 als eine konturlose Epoche oder als Zeitraum mit Konturen aus drei Epochen?“ In: Rüdiger Nutt-Kofoth (Hg.): Literaturgeschichte als Problemfall. Zum literarhistorischen Ort Annette von Droste-Hülshoffs und der ‚biedermeierlichen‘ Autoren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hannover 2017, S. 27−40.

Sottong, Hermann J.: Transformation und Reaktion. Historisches Erzählen von der Goethezeit zum Realismus. München 1992.

Tetzlaff, Stefan (2016): Heterotopie als Textverfahren. Erzählter Raum in Romantik und Realismus. Berlin/Boston.

Wünsch, Marianne (2002): „Struktur der ‚dargestellten Welt‘ und narrativer Prozeß in erzählenden ‚Metatexten‘ des ‚Biedermeier‘“. In: Michael Titzmann (Hg.): Zwischen Goethezeit und Realismus – Wandel und Spezifik in der Phase des Biedermeier. Tübingen 2002, S. 269−282.

 

 

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Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt

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