KONF: Paratexte der Theorie, Berlin (22.06.–23.06.2023)

Wolfgang Hottner Discussion

Paratexte der Theorie

Workshop im Rahmen des Projekts Theoriezirkulationen. Themen, Prozesse und Geschichten einer globalisierten Schreibweise”

Organisiert von Michael Gamper u. Wolfgang Hottner (Universität Bergen, EXCTC-Fellow im Juni 2023)

22. (14-19 Uhr) / 23.6. (10-16 Uhr) 2023

Die globale Zirkulationen von Theorie, ihre Übersetzung und ihr Transfer in andere diskursive Zusammenhänge, verdankt sich wesentlich spezifischen Formen des Paratextes. So schreiben beispielsweise Karl Marx und Friedrich Engels für ihr Manifest der Kommunistischen Partei Vorworte für die russische, englische, polnische und italienische Ausgabe; Hannah Arendt reflektiert im Vorwort zur englischen Ausgabe von The Origins of Totalitarianism über die Metamorphosen, die das eigene Werk in der Selbstübersetzung durchlaufen hat, Michel Foucault gibt in der 1972 bei Suhrkamp erscheinenden Übersetzung von Les mots et les choses dem deutschen Publikum eine „Gebrauchsanweisung“ an die Hand und wünscht sich, von einer „ernsteren Öffentlichkeit” nicht als Strukturalist etikettiert zu werden.

Die konstitutive Nachträglichkeit von Übersetzungen impliziert, so wird bereits an diesen wenigen Beispielen deutlich, damit eine Praxis des Vor- und Nachworts für fremdsprachige Ausgaben, in denen, ob von den Autor:innen selbst, von den Übersetzer:innen oder anderen Vermittler:innen, nicht nur ein neues Publikum angesprochen wird, sondern auch bisherige Rezeptionszusammenhänge kommentiert werden können. In den Vor- und Nachworten geht es nicht nur darum, das eigene oder andere Werk in neue Kontexte einzuführen, Missverständnissen oder ‚Fehlinterpretationen‘ vorzubeugen, sondern zugleich auch um werkpolitische Selbsthistorisierung. In diesen durch (Neu-)Übersetzungen hervorgebrachten Leseinstruktionen, in den Einblicken in Werkgenesen und paratextuellen Beschreibungen subjektiver Buchschicksale scheint theoriegeschichtliche Reflexion selbst ihren Anfang zu nehmen. Ähnliches gilt auch für andere Paratexte wie Titel, Waschzettel, Widmungen und Motti, die für neue Kontexte verändert werden oder dort andere Wirksamkeiten entfalten, oder auch für Begleit- und Ergänzungstexte, so etwa Interviews, Rezensionen und dergleichen.

Die Gattung solcher vor- und nachgestellten Texte ist von der Forschung bisher nicht in den Blick genommen wurden, spielt aber für ein Verständnis der Transferierbarkeit, Zirkulation, globalen Wirksamkeit und ‚Anschlussfähigkeit‘ von Theorie eine entscheidende Rolle. Der Workshop geht diesen Paratexten der Theorie, ihren allgemeinen Affordanzen und konkreten Effekten für die Zirkulation von Theorie(n) anhand von exemplarischen Fragestellungen, Konstellationen, Autor:innen und Texten nach und fragt dabei auch stets nach den (verschiedenen) Weisen der Theorieübertragung und ihrer Bedeutung für die Literatur- und Geisteswissenschaften.

 

Programm:

Donnerstag, 22.6.

13:00: Michael Gamper, Wolfgang Hottner: Begrüßung, Einführung

Moderation und Kommentar: Eva Geulen (ZfL Berlin)

13:15: Rembert Hüser (Universität Frankfurt a.M.), Hoch zehn: generische Umschlagbilder

14:00: Oliver Precht (ZfL Berlin), Merleau-Pontys ‚Vorlesungszusammenfassungen‘

14:45: Dustin Breitenwischer (Universität Hamburg), Paratextuelle Integrität: Angela Davis ediert Frederick Douglass

15:30: Pause

Moderation und Kommentar: Susanne Strätling (FU Berlin)

16:15: Hanna Hamel (ZfL Berlin), Intimität des Paratexts. Virginie Despentes’ Vorwort zu Paul B. Preciados “Ein Apartment auf dem Uranus”

17:00: Paul Fleming (Cornell University), „An jenem Tag lasen wir nicht weiter.“ Paul de Mans Vorwort zu Hans Robert Jauss „Toward an Aesthetic of Reception“

17:45: Cosima Mattner (Columbia University), Susan Sontags Afterwords

19:30: Abendessen

 

Freitag, 23.6.

Moderation und Kommentar: Philipp Felsch (HU Berlin)

9:30: Anna Förster (Universität Erfurt), Jakobsons Paratexte

10:15: Jan Lietz (FU Berlin), Georg Lukàcs Vorworte

11:00 Pause

11:30: Moritz Neuffer (ZfL Berlin): „nicht abgeschlossen“. Hildegard Brenners und Helga Gallas' Editorials für die Zeitschrift alternative und die Buchreihe collection alternative

12:15: Morten Paul (Matthes & Seitz Berlin), Paratexte mindern/Paratext mehren – wie markiert man Theorie

13:00 Schluss & Ausklang bei Snacks

 

Veranstaltungsort- und modalität:

Habelschwerdter Allee 45
Raum JK 33/121
14195 Berlin

Die Veranstaltung freut sich auf Diskutant:innen und Zuhörer:innen. Da ein Reader die Grundlage des Workshops ist, wird um Anmeldung bei Annika Gebhard (annika.gebhard@fu-berlin.de) gebeten. Der Reader wird den Teilnehmer:innen nach der Anmeldung per E-Mail zugeschickt.