KONF: Literarische Exerzitien. Ethische Textpraktiken in der Moderne (1800–2000), Hamburg (28.06.–30.6.2023)
Literarische Exerzitien. Ethische Textpraktiken in der Moderne (1800–2000)
Internationale Konferenz, 28.-30.6.2023.
Konzept & Organisation: Dr. Carolin Rocks (Hamburg, carolin.rocks@uni-hamburg.de) & Dr. Jakob Christoph Heller (Halle, jakob.heller@germanistik.uni-halle.de)
Tagungsort: Warburg-Haus, Heilwigstraße 116, 20249 Hamburg
Die Tagung wird ermöglicht durch die Förderung der Fritz Thyssen Stiftung und ist Teil des Schwerpunkthemas »Dynamiken der Form« am Warburg-Haus.
Konzept
Literatur ist kein Selbstzweck, sondern steht im Zeichen, vielleicht sogar im Dienst eines guten Lebens. Die Tagung Literarische Exerzitien. Ethische Textpraktiken in der Moderne (1800–2000) re-evaluiert das Verhältnis von Ästhetik und Ethik in der Moderne, indem sie literarische Formen und Gattungen untersucht, die durch Heteronomie gekennzeichnet sind. Gebet, Litanei, Meditation oder Exerzitium sind streng geordnete Praktiken und Textsorten, die auf repetitive Verwendungsweisen angelegt sind. Sie zielen gerade in diesen Wiederholungen auf Subjektivierung: Betend, meditierend, übend bildet sich auch das moderne Selbst. Dieser Befund steht quer zum modernen Paradigma einer auf Originalität, Formexperiment und Selbstreferenz setzenden Kunstautonomie.
Die Tagung konturiert mit diesem Fokus auf die Heteronomieästhetik auch das ethische Profil der Moderne: Welche tradierten Wiederholungs-, Dramatisierungs- und Übungsmuster werden in literarischen Beichten, Losungen oder Litaneien realisiert, aber auch prozessiert oder transformiert? Welche ethischen Einsätze sind damit verbunden? Die Tagungsbeiträge loten das rhetorische sowie das gattungsbezogene Formrepertoire aus, das die Texte in diesem Zuge aufbieten. Es steht vor diesem Hintergrund zu fragen, wie sich Innovation, Kreativität, Virtuosität aus der Spannung von formaler Norm und künstlerischer Freiheit heraus denken lassen. Und schließlich: Wie genau wird hier eine Literatur in den Dienst eines ‚guten Lebens‘ gestellt?
Programm
Mittwoch, 28. Juni 2023
14:00 Begrüßung
14:15 Martina Wagner-Egelhaaf: Lesenlernen als Exerzitium. Zu Karl Philipp Moritz’ Neuem ABC-Buch (1790)
15:00 Florian Schmidt: Musikalische Exerzitien. Klavier- und Schreibübungen bei Clara Schumann und Roland Barthes
15:45 Kaffeepause
16:15 Korbinian Lindel: »das Eiserne Kreuz auf dem Rücken«. Soldatische Askese und religiöse Sublimation der Kriegserfahrung bei Hugo Ball
17:00 Joachim Jacob: Lebenskunst, Konkrete Poesie und literarisches Exerzitium: Eugen Gomringers Stundenbuch (1965)
17:45 Kaffeepause
Abendvortrag
18:15 Rüdiger Campe: Meditation und Fabulation bei Emmy Hennings. Zum Verhältnis von Form und Verfahren
Donnerstag, 29. Juni 2023
9:30 Simone Schultz-Balluff: Die Welt in einer Grußformel – Sprachbildlichkeit in nord-deutschen Nonnenbriefen aus dem 16. Jahrhundert
10:15 Daniel Weidner: »Setz Dich, Konzentriere Dich, Schreibe!« Meditation, Konfession und parrhesia in K.O. Knausgårds Mein Kampf
11:00 Kaffeepause
11:30 Elisabeth Flucher: Erbauen und Trösten. Therapeutische Lektüre- und Schreibpraxis in Rahel Levin Varnhagens Briefen
12:15 Zoe Zobrist: Die »Reproduktion abgebrochen schwebender Gebilde«: Gottfried Kellers Sieben Legenden
13:00 Mittagspause
14:15 Emma Louise Brucklacher: Profane Heiligkeit. Joseph Roths Legende vom Heiligen Trinker
15:00 Alina Boy: »Ich mißtraute und wurde gesund«. Textpraktiken des Heilens bei Thomas Bernhard
15:45 Kaffeepause
16:15 Sebastian Meixner: Noch möglich. Die Ökonomie des Geständnisses bei Dürrenmatt
17:00 Carolin Rocks: Übungen in Bewunderung. Ciorans biographische Porträts
17:45 Kaffeepause
Abendvortrag
18:00 Christopher J. Wild: Sich üben: Zur Medialität des Denkens
Freitag, 30. Juni 2023
9:30 Wolfgang Braungart: Möglichkeiten und Grenzen kunstreligiöser Exerzitien: Novalis
10:15 Jakob Christoph Heller: Exerzitien und Exzess bei Ludwig Tieck
11:00 Kaffeepause
11:30 Felix Kraft: Exerzitien in was? Kritisch-säkulare Andacht in Bertolt Brechts Hauspostille
12:15 Konstantin Sturm: »Mich wundert, dass ich fröhlich bin«. Liturgische Praktiken in Ödön von Horváths dramatischem Totentanz Glaube Liebe Hoffnung
13:00 Mittagspause
14:15 Niklaus Largier: Symbolische Aufladung: Exerzitien und Exzentrik bei Huysmans und Bataille
15:00 Abschlussdiskussion
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