»Schreiben Sie über mich was Sie wollen,
aber verlangen Sie nicht von mir zu wissen was!«
Korrespondenzen: Raabes Zeitgenossenschaft
Braunschweig, 15. bis 17. September 2023
Veranstaltet von der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V. (Braunschweig). Organisation und Leitung: Andreas Blödorn (Universität Münster) und Lena Wetenkamp (Universität Trier)
Der Schriftsteller, Zeichner und Maler Wilhelm Raabe (1831–1910) formuliert mit der im Tagungstitel zitierten – recht ungehaltenen – Aufforderung »schreiben Sie […] was Sie wollen«[1] an den Bankier und Literarturkritiker Sigmund Schott (1852–1910) eine Absage: Eine, die die Sehnsucht nach Abgeschiedenheit des 69-jährigen Raabe am 4. August 1901, unmittelbar vor dessen 70. Geburtstag, kommunizieren will. Als Journalist der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung interessierte Schott ein umfangreiches Porträt des Berufsschriftstellers Raabe, der dies bis zuletzt zurückwies: »Sie schreiben schon über Raaben ›Weisheit‹? Ja, wenn die Leute nur die letzten 15 Jahre durch ein bischen mehr in meinen Büchern danach hätten suchen wollen!«[2]
Die von Raabe bilanzierte ›Weisheit der Werke‹ erklärt ein Metaverständnis von ›Korrespondenzen‹ im Gesamtwerk, das Motivaufnahmen, Umschreibungen und Überschreibungen als Programm bestimmt: Poetologische Verbindungen, die sich ebenso gegenseitig beantworten, reflektieren, bestätigen oder widersprechen, entsprechen: korrespondieren. Die Tagung ›Raabe. Korrespondenzen‹ nimmt in diesem Sinne Korrespondenzen auf dreifache Weise in den Blick: auf der Ebene des Schriftverkehrs (1), auf der Ebene poetologischer Aspekte (2) sowie als Zeitgenossenschaft (3).
Die Briefe Wilhelm Raabes sind bisher kaum zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geworden. Als Korrespondent hat er mit zahlreichen Personen, darunter Schriftsteller:innen und Verleger, ausführliche Briefwechsel geführt. Zu nennen sind die Briefwechsel mit Wilhelm und Marie Jensen (BA, Erg.-Bd. 3) und die in Kürze erscheinende Edition Raabes Briefwechsel mit dem Verlag Westermann (1857–1910), die von Anne Petersen herausgegeben wird. Insgesamt aber sind die Quellen noch nicht umfassend und zuverlässig erschlossen.
Daran anschließend ist auch nach poetologischer Relevanz von Korrespondenzen zu fragen, d.h. nach Vorkommen, Funktion und dichtungsprogrammatischer Bedeutung von Korrespondenzen in Raabes Romanen und Erzählungen, wobei sowohl Briefe und Briefwechsel als auch spezifische (interpersonale) Beziehungen, aber auch korrespondierende Motive gemeint sein können. Weiterführend sollen unter dem Fokus spezifischer Verbindungen und Brüche, Entsprechungen und Widersprüche zu zeitgenössischen Autor:innen charakteristische und poetologisch relevante Aspekte herausgearbeitet werden, mit denen sich die Sicht auf Raabes Werk im Kontext der Literatur seiner Zeitgenossen weiter schärfen lässt.
Der Begriff der Korrespondenz im Kontext dieser Tagung umfasst demgemäß Briefe, die Grundform des persönlichen Schriftverkehrs, die interpersonale Beziehungen und damit ein Raabe-Netzwerk kartieren. Zudem wird nach den dichtungsprogrammatischen Implikationen der gewonnenen Erkenntnisse gefragt, mithin nach der poetologischen Relevanz von ›Korrespondenzen‹. Schließlich richtet sich der Blick damit auch über briefliche Korrespondenzen hinaus auf das Werk Raabes im Kontext seiner Zeitgenossenschaft, durch die Charakteristika des Schreibens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, des damaligen literarischen Markts im Hinblick auf Publikationsmedien (Westermanns Monatshefte, Die Gartenlaube, Die Grenzboten, Ueber Land und Meer, Freya, Daheim usw.) sowie diskursive Verstrickungen und somit ›Korrespondenzen‹ zwischen Raabes Werk und dem anderer Autor:innen seiner Zeit sichtbar werden. Einflüsse und Analogien wären hier ebenso wie Dissonanzen und Abgrenzungen auszuloten (z.B. Dickens und Thackerey, Fontane und Storm, Flaubert und Balzac).
Vor diesem Hintergrund sind willkommen:
- Beiträge, die sich mit dem Autor Wilhelm Raabe in seinen Beziehungen/Korrespondenzen oder mit Personen aus seinem persönlichen Umfeld beschäftigen,
- Beiträge zur Zeitgenossenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, auch unter Einbezug populärer Periodika,
- vergleichende bzw. synthetisierende Studien zu Korrespondenzen und epistolaren Verfahren in der Literatur des ›Realismus‹,
- Beiträge zu übergreifenden poetologischen Aspekten in Wilhelm Raabes Werk.
Bitte senden Sie bis zum 31.01.2023 ein kurzes Exposé im Umfang von ca. 300 Wörtern samt einer kurzen wissenschaftlichen Biographie an: andreas.bloedorn@uni-muenster.de und wetenkamp@uni-trier.de.
Reise- und Übernachtungskosten werden übernommen.
Eine anschließende Veröffentlichung der Beiträge im Jahrbuch der Raabe-Gesellschaft ist vorgesehen.
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