Sektionsvorschlag für den XV. Kongress der Internationalen Vereinigung für Germanistik mit dem Generalthema "Sprache und Literatur in Krisenzeiten" in Graz vom 20.-27.7.2025.
Sektion: Transnational, Intersektional, Dekolonial, Plural - Herausforderungen, Aufgaben und Chancen für eine Germanistik des 21. Jahrhunderts
Sektionsleitung:
Nicole Coleman (USA)
Jeannette Oholi (Deutschland)
Ben Schofield (UK)
Abstract:
Die Transnationalität verspricht eine progressive, global-vernetzte Vorstellung der Germanistik als Gegenentwurf zu einem eher verknöcherten Modell der Germanistik als Nationalphilologie, die sie mit ihrem oft elitären und exklusiven (beziehungsweise männlichen, weißen, monolingualen, monoethnischen) Kanon darstellen kann. Eine transnationale Intervention liegt in der Erforschung der Frage, wie durch die Herausforderung, die Germanistik zu deterritorialisieren, kulturelle und literarische Traditionen und Methodologien inklusiver und pluralistischer gestaltet werden können. Dies bietet die Chance, eine heterogene, diverse Germanistik ins Auge zu fassen, die sich nicht durch geographische, sprachliche oder zeitliche Grenzen einschränken lässt. Dadurch werden auch Texte, Autor*innen und Methoden, die strukturell marginalisiert, diskriminiert oder ausgeschlossen wurden, wieder in den Mittelpunkt der Forschung und Lehre gerückt.
Auch die Intersektionalität stellt eine Perspektive dar, die Grenzen überschreitet. Abgeleitet aus dem Englischen ‘intersection’, das im Deutschen als ‘Überschneidung’ oder ‘Kreuzung’ übersetzt werden kann, wird durch einen intersektionalen Ansatz sichtbar gemacht, wie Diskriminierungs- und Machtmechanismen - beispielsweise aufgrund von Geschlecht, ‘Rasse’, Klasse, Sexualität, Alter und Behinderung - zusammenwirken. Herrschaftsstrukturen innerhalb einer Gesellschaft können durch einen intersektionalen Ansatz aufgedeckt und transformiert werden.
Die Geschichte des Kolonialismus im Deutschen Reich, Kolonialverbrechen wie der Genozid an den Herero und Nama im heutigen Namibia sowie koloniale Spuren, die an diejenigen erinnern, die direkt und indirekt an Kolonialverbrechen beteiligt waren, sind zentral für dekoloniale Interventionen. Auch in weißen Siedler*innenkolonien wie den USA und Kanada wird die Indigene Geschichte des Landes oft ausgeblendet, wenn es um die deutsche Migration in diese Länder geht. So werben Deutschprogramme mit der "deutschen" Kultur der Region, ohne zu reflektieren, was die Regionen vor dem europäischen Kolonialismus auszeichnete. Einzureihen in diese Herausforderungen und Aufgaben sind auch Darstellungen Indigener Kulturen in deutschsprachigen Texten.
Insgesamt soll diese Sektion Pluralität als Herausforderung und Chance einer Germanistik für das 21. Jahrhundert zentrieren, die Geschichte und Gegenwart der deutschsprachigen Länder heterogen und vernetzt in Forschung und Lehre repräsentiert.
Die vorgeschlagene Sektion antizipiert Beiträge zu den folgenden Fragen und Themen:
- Neue pädagogische Ansätze zur germanistischen Lehre jenseits des etablierten Kanons;
- Forschung, die inklusiv, intersektional arbeitet und Texte analysiert, die oft ausgeschlossen werden;
- Theorien, die alles oben genannte im Blick behalten und für Forschung relevant machen;
- Neue Impulse für die germanistische Forschung und Lehre, die u.a. rassismuskritisch, transnational, dekolonial und intersektional arbeiten.
Die Sektion hat das Ziel, Stimmen von allen Kontinenten und aus verschiedenen Disziplinen in Dialog zu bringen. Beiträge können sich mit allen Schwerpunkten der Inlands- und Auslandsgermanistik beschäftigen, dies schließt unter anderem Literatur- und Sprachwissenschaft, Pädagogik, Film- und Medienwissenschaften, Geschichte und Philosophie mit ein.
Die Konferenzsprache ist deutsch.
Zu diesem Zeitpunkt benötigen wir keine vollständigen Abstracts. Bei Interesse bitten wir bis zum 12.6.2022 um kurze Nachrichten per Email an alle drei Organisator*innen (Nicole Coleman, ncoleman@wayne.edu, Jeannette Oholi, jeannette.oholi@gcsc.uni-giessen.de, und Ben Schofield, benedict.schofield@kcl.ac.uk). Mit den Themenideen werden wir den Sektionsvorschlag vervollständigen und dann nach Annahme alle Interessenten um Abstracts bitten. Gerne stehen wir auch nach dem 12.6. für Anregungen und Fragen zur Verfügung.
Quellen und Material (Auswahl):
Bischoff, Doerte, und Susanne Komfort-Hein, hrsg. Handbuch Literatur & Transnationalität. Berlin/Boston: de Gruyter, 2019.
Criser, Regine, und Ervin Malakaj, hrsg., Diversity and Decolonization in German Studies. Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2020.
Braun, Rebecca, und Benedict Schofield, hrsg., Transnational German Studies. Liverpool: Liverpool University Press, 2020.
Florvil, Tiffany. Rethinking Black German Studies: Approaches, Interventions and Histories. Oxford: Peter Lang, 2018.
Florvil, Tiffany, und Vanessa Plumly, hrsg., Mobilizing Black Germany: Afro-German Women and the Making of a Transnational Movement. Champaign IL: University of Illinois Press, 2020.
Hodkinson, James, und Benedict Schofield, hrsg. German in the World: The Transnational and Global Contexts of German Studies. Rochester NY: Camden House, 2020.
Haakenson,Thomas O., Tirza True Latimer, Carol Hager und Deborah Barton, hrsg. Becoming TransGerman: Cultural Identity Beyond Geography. Oxford: Peter Lang, 2019.
Kim, David D. “German Studies and Cosmopolitanism.” German Quarterly 94, no. 4 (Fall 2021): 427–43.
Layne, Priscilla. White Rebels in Black: German Appropriation of Black Popular Culture. Ann Arbor, MI: University of Michigan Press, 2018.
Website ADEFRA: http://www.adefra.com/
Website Black German Europe: https://blackcentraleurope.com/
Website DDGC: https://diversityingermancurriculum.weebly.com/ddgc-blog
Website Dekoloniale: https://www.dekoloniale.de/de
Website EOTO: https://eoto-archiv.de/
Website Resonanzen - Schwarzes Literaturfestival: https://www.ruhrfestspiele.de/programm/2022/resonanzen-schwarzes-literaturfestival-2
Website Working Towards and Equitable German Studies: https://egs-uk.org/
Website ISD: https://isdonline.de/
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Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt
Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Lukas Büsse] betreut – editorial-germanistik@mail.h-net.msu.edu
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