KONF: Wissenschaftliches Symposium zur 40. Paderborner Gastdozentur für Schriftsteller*innen mit Ingo Schulze und Frank Witzel, Paderborn (10.06.2022)

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Am Freitag, dem 10. Juni 2022 wird vom Zentrum für deutschsprachige Gegenwartsliteratur der Universität Paderborn ein wissenschaftliches Symposium zur 40. Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller (pandemiebedingt) nachgeholt. Namhafte Fachexpert*innen aus dem In- und Ausland diskutieren in Anwesenheit der beiden Poetikdozenten, Ingo Schulze und Frank Witzel, deren Werke und setzen somit den Dialog fort, den die beiden Romanciers im Wintersemester 21/22 an der Universität initiiert haben (Grundinformationen zur Gastdozentur finden sich hier: Webseite der Gastdozentur).

Das Symposium wird ausgerichtet von Prof. Dr. Norbert Otto Eke und PD Dr. Stefan Elit und findet ganztägig und ist öffentlich. Um das freiwillige Tragen von Hygienemasken wird gebeten.

Termin, Ort und Programm:

Freitag, 10.06.2022, 9-18 Uhr, in der Studiobühne der Universität, Campus Warburger Straße 100, D-33098 Paderborn

9.15-9:30 Uhr: Begrüßung durch Prof. Dr. Norbert Otto Eke und PD Dr. Stefan Elit

9:30-10:15 Uhr: Prof. Dr. Claudia Stockinger (HU Berlin): Die rechtschaffenen Romantiker. Ingo Schulzes Verfasser

10:45-11:30 Uhr: Dr. Naser Šečerović (Univ. Sarajevo): Faust im Spiegel. Ingo Schulzes „Neue Leben“

11:30-12:15 Uhr: PD Dr. Stefan Elit (Univ. Paderborn): Lebendige Anschauung auf Abwegen. Irrwitzig-komische Kunstbetrachtungen in Ingo Schulzes Band „Tasso im Irrenhaus“ und Frank Witzels Van-Reuningen-Texten

- Mittagspause -

13:45-14:30 Uhr: PD Dr. Jan-Christopher Assmann (Univ. Bergamo / Frankfurt/Main): „jetzt kaufen und lesen“. Titel bei Ingo Schulze und Frank Witzel

14:30-15:15 Uhr: Prof. Dr. Anke Detken und Prof. Dr. Gerhard Kaiser (Univ. Göttingen): Die „Idee eines unendlichen Buches“. Entgrenzung und Vielstimmigkeit in Frank Witzels "Die Erfindung"

15:30-16:15 Uhr: Prof. Dr. Norbert Otto Eke (Univ. Paderborn): Jean-Paul-Bezüge bei Ingo Schulze („Peter Holtz“) und Frank Witzel („Die Erfindung [...]“)

16:15-17:45 Uhr: Round Table mit den Autoren Ingo Schulze und Frank Witzel

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Mit Ingo Schulze und Frank Witzel hatte das Zentrum für deutschsprachige Gegenwartsliteratur im Wintersemester 2021/22 zwei einzigartige literarische Kartographen miteinander ins Gespräch gebracht, die die Geschichte der Bundesrepublik und diejenige der DDR von jeweils verschiedenen Seiten her mit jeweils eigenem Formwillen und Sound vermessen.

Ingo Schulze wurde bekannt mit den Erzählbänden 33 Augenblicke des Glücks (1995) und Simple Storys (1998), die kaleidoskopartig das „Lebensgefühl“ von Menschen in Zeiten eines epochalen Umbruchs aufblättern. Es folgten mit teils längerem Abstand neben weiteren Erzählungsbänden mehrere vielbeachtete Romane: (1) Neue Leben (2005), ein Erzähltext, der vieles in einem ist: Schelmenroman, satirisch gefärbter Künstlerroman (bzw. Parodie des klassischen Künstlerromans), eigenwilliger Bildungs- und Entwicklungsroman und zugleich groß angelegter Gesellschaftsroman; (2) Adam und Evelyn (2008), ein Wendeepos, das mit einem biblisch kodieren Personal aufwartet, (3) Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst (2017), ein Schelmenroman mit einem in einem Heim in der DDR aufgewachsenen, sozialismusgläubigen ‚Helden‘, der nach der Wende mit mehr Glück als Verstand zu Wohlstand und Immobilienvermögen gelangt. (4) Die rechtschaffenen Mörder (2020), ein Roman über die politischen Entwicklungen im Osten Deutschlands und über Ost-West-Differenzen, in dem Schulze die Liebe zu Vexierspiel, zum Auslegen falscher Fährten und ausgefeilter Leerstellen, die den Ton der vorangegangenen Werke gesetzt hatten, virtuos fortsetzt.

Frank Witzel veröffentlichte nach Gedichtbänden und Essays 2001 mit Bluemoon Baby einen anspielungsreichen dekonstruktivistischen Thriller voller literarischer Anspielungen und Reminiszenzen an die Pop- und Beatkultur, 2003 folgte der Roman Revolution und Heimarbeit, der mit seiner aberwitzigen Kombination von Verschwörungstheorien, Popkultur, Paranoia und philosophischen Diskursen an das Vorbild des großen amerikanischen Erzählers Thomas Pynchon erinnert, und 2008 der souverän mit Fakten und Fiktion spielende Literatur- und Medienbetriebsroman Vondenloh (Neuausgabe: Matthes & Seitz, Berlin 2018). Erst spät fand Frank Witzel die breite Aufmerksamkeit, die bereits diese Werke verdient gehabt hätten, nämlich mit dem 2015 erschienenen und als „genialistisches Sprachkunstwerk“ gefeierten Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969, für den Frank Witzel den Deutschen Buchpreis erhielt. Es folgten zunächst mehrere Arbeiten für den Rundfunk, darunter Die apokalyptische Glühbirne, die Hörstückreihe Stahnke und Jule, Julia, Julischkafür die Witzel 2017 den Deutschen Hörbuchpreis erhielt, die ‚metaphysischen Tagebücher‘ Uneigentliche Verzweiflung (2019) und Erhoffte Hoffnungslosigkeit (2021) sowie der Roman Direkt danach und kurz davor (2017), der vom Schweigen der Nachkriegszeit erzählt, Alltags- und Wissenschaftssprache, Literatur, deutsche Märchen, Mythen und „Kahlschlagprosa“ gegeneinander schneidet, um der Frage nachzugehen, wie es zur „dunklen Epoche“ des NS kommen konnte. 2020 erschien mit Inniger Schiffbruch (2020) eine sehr persönliche Rückschau auf die eigene Kindheit sowie die Kriegstraumata der Eltern und zugleich eine Mentalitätsgeschichte der alten Bundesrepublik.

 

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Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt

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