ANK: Neues Hilfsmittel für die Aufklärungs-Forschung (Briefwechsel von Elise Reimarus)

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Neues Hilfsmittel für die Aufklärungs-Forschung:

Der Briefwechsel von Elise Reimarus. Ein chronologisches Repertorium

Das im Auftrag der A und A Kulturstiftung durch den Berliner Wissenschaftshistoriker Stefan Borchers erstellte und im Frühjahr 2022 als PDF im Open Access herausgegebene Repertorium zum Briefwechsel von Elise Reimarus (1735-1805) unternimmt erstmals den Versuch einer systematischen Erfassung der Korrespondenz der Hamburger Autorin und Intellektuellen.

Unter 679 laufenden Nummern listet es sämtliche bislang bekannten Briefe auf. Verzeichnet werden sowohl handschriftlich überlieferte bzw. im Druck erschienene als auch mutmaßlich verlorene Briefe, die nur durch die Erwähnung im Antwortschreiben oder in anderweitiger Korrespondenz bezeugt sind. Dokumentiert wird also der Gesamtumfang der Korrespondenz, soweit er derzeit zu ermitteln ist. Nachmeldungen bislang unbekannter Briefe werden unter einer in der Einleitung genannten Mailadresse erbeten. Sie sollen zeitnah durch die Stiftung veröffentlicht und bei Bedarf in aktualisierte Versionen des Repertoriums eingearbeitet werden, das sich insofern als Work in progress versteht und bewusst auf die Veröffentlichung in elektronischer Form setzt. Zum jetzigen Stand verteilen sich die Nachweise nahezu gleichmäßig auf 347 von Elise Reimarus (mit-)verfasste und 332 an sie gerichtete Briefe. Zum Korrespondenznetzwerk gehören rund 50 Personen, darunter G. E. Lessing, M. Mendelssohn, F. G. Klopstock, F. H. Jacobi, J. H. Campe, A. v. Hennings und E. v. d. Recke.

Das Repertorium steht im Fachrepositorium "Germanistik im Netz", das von der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt a.M. gehostet wird, zum Download bereit:

http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/67545

http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:hebis:30:3-675458

 

Damit verfügt die Forschung über ein wertvolles Hilfsmittel, das durch präzise Standort- und ggf. Veröffentlichungsangaben den Weg zu den Quellen weist. Einerseits zur handschriftlichen Überlieferung, die mit Anspruch auf Vollständigkeit verzeichnet ist, und zwar unter Einbeziehung sämtlicher Überlieferungsträger (neben den tatsächlich gewechselten Schriftstücken auch Entwurfsfassungen und Abschriften), die Borchers während der Bearbeitung größtenteils autopsiert hat, wobei ihm vereinzelt Korrekturen früherer Zuschreibungen gelungen sind. Andererseits zu den im Druck greifbaren Briefen, wobei statt auf Vollständigkeit sinnvollerweise auf den Nachweis des jeweils bestedierten bzw. -kommentierten Textes gesetzt wird. So erübrigt sich künftig das Suchen nach Briefen von und an Elise Reimarus in den vielbändigen historisch-kritischen Ausgaben von Lessing, Mendelssohn und F. H. Jacobi, in denen sie nicht immer in chronologischer Reihenfolge ediert werden konnten.

Ein nach Adressat:innen bzw. Absender:innen geordnetes Briefregister rundet die Übersicht über die vorhandenen Quellen ab, indem sie das Korrespondenznetzwerk und die Korrespondenzverläufe (soweit überliefert oder zumindest bezeugt) abbildet.

Das größte Verdienst des Repertoriums besteht zweifellos darin, dass es Quellen leicht auffindbar macht, die bislang größtenteils nur in den bestandshaltenden Institutionen selbst bei der Durchsicht umfangreicher Akten- und Manuskriptbestände gefunden werden konnten und deshalb nur von wenigen Fachleuten herangezogen worden sind. Die Forschung erhält dadurch neue Impulse zur Beschäftigung mit der Hamburger Aufklärerin. Gute Aussichten also für die im Vorwort ausgesprochene Hoffnung, dass Elise Reimarus künftig aus dem Schatten ihrer berühmten männlichen Korrespondenzpartner heraustreten und ihr eigenes Gesicht offenbaren möge.