Lesegebärden
Tagung mit Vorträgen, Lesung & Gespräch – LIVE und ONLINE
So wie wir Musik mit dem ganzen Körper wahrnehmen, lesen wir leibhaft. Lesen ist kein Vorgang der rein optischen Datenverarbeitung. Maschinen können Lektüre daher lediglich simulieren. Das Leibhafte der Lektüre zeigt sich – vor allem zeigt es sich gestisch: in Veränderungen der Körperhaltung, im Kopfschütteln, Wippen, Erröten, Auflachen, Auf- und Abgehen, Vor- und Zurückblättern, Augenschließen, Fingerkneten; selbst die stille Versenkung ist Gebärde. Und so mancher „hat dann das Buch von sich geworfen, sein Schwert gepackt und den Wänden mit Hieben zugesetzt“ (Cervantes, Don Quijote von der Mancha). Die Lesegebärde ist weder Ausdruck bloß individueller Reaktionen noch das Resultat sozialer Prägungen, sondern die buchstäbliche Verkörperung kultureller Praktiken im Erleben jeder und jedes Einzelnen. Sie ist auch kein Epiphänomen, das ein vermeintlich eigentliches Lesen nur begleitet, sondern ein zentraler Lektüremodus eigenen Rechts. Vor diesem Hintergrund widmet sich die 2-tägige Veranstaltung der künstlerischen Selbstreflexion des leibhaften Lesens. In der Erkundung des gestischen Potentials von Leseszenen aus Geschichte und Gegenwart soll eine gestische Sprachtheorie, von der die Literatur immer schon wusste, freigelegt und anhand von Beispielen aus Literatur, Musik, Philosophie und Kunst reflektiert werden.
Wissenschaftliche Leitung und Moderation: Irina Hron, Christian Benne
Mitwirkende: u.a. Hans Ulrich Gumbrecht, Harun Maye, Matthias Meyer, Melanie Möller, Klaus Müller-Wille, Irina Schulzki
Veranstaltungsort: Literaturhaus Wien, Seidengasse 13, 1070 Wien
Donnerstag, 19.5.
15.00: Begrüßung
15.15–16.15: Christian Benne: Die zwei Körper des Lesers
16.30–17.30: Irina Schulzki: Gesten der Monstration
Freitag, 20.5.
09.30–10.30: Melanie Möller: Pronuntiatio simillima lectioni: (Spuren)Lesen als rhetorische Geste
10.45–11.45: Matthias Meyer: Lesespuren – Über das Lesen in und aus Handschriften, Briefen und anderen ›Texten‹ im Mittelalter und der Frühen Neuzeit
11.45–13.30: Mittagspause
13.30–14.30: Klaus Müller-Wille: Bindungen – Mit den Händen lesen
15.00–16.00: Harun Maye: Sprachinstallation. Thomas Kling liest vor
16.15–17.15 Uhr: Irina Hron: Noten zur Gebärde: Leibhafte Lektüren
17.30–19.00: Gesten über-setzen. Zu Graciáns Handorakel – Hans Ulrich Gumbrecht im Gespräch mit Christian Benne und Irina Hron
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Die Veranstaltung kann vor Ort im Literaturhaus Wien besucht oder ONLINE über den Livestream bzw. im Livestream-Archiv auf der Homepage des Literaturhauses mitverfolgt bzw. nachgeschaut werden.
Kontakt: Irina Hron (irina.hron@univie.ac.at)
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