CFP: Spielzeichen V – Spielzeit/Zeitspiel: Dimensionen, Bedeutungen und Funktionen von Zeit in digitalen Spielen, Passau (10.07.2022)

Martin Hennig Discussion

Spielzeichen V – Spielzeit/Zeitspiel: Dimensionen, Bedeutungen und Funktionen von Zeit in digitalen Spielen (Passau, 09.-11. Februar 2023)

 

Zeit spielt in sämtlichen Erzählmedien eine tragende Rolle und Techniken ihrer Darstellung müssen auf Produktions- wie Rezeptionsebene stets erst konventionalisiert und erlernt werden. So entwickelten sich in der Kinogeschichte sukzessiv Bildkonventionen, die als Zeichen für Zeitsprünge fungierten wie Blenden oder bestimmte Schnitttechniken wie der Match Cut.

Doch in keinem Medium scheint die Bedeutung von Zeit so vielschichtig wie für das digitale Spiel zu sein – digitale Spiele operieren grundsätzlich pluritemporal. Auf der technischen Ebene bedingt und strukturiert Zeit Programmabläufe; auf der simulativen Ebene ist sie einer der wichtigsten Parameter dargestellter Welten; auf der spielerischen (ludischen) Ebene eine spielprägende Regel (z.B. als Zeitlimit oder Zeitmanipulations-Mechanik); auf der narrativen Ebene erzählerisches Mittel, auf der Rezeptionsebene bedingt sie eine rhythmische Einpassung und Involvierung der Spielenden. Die Kategorie ‚Zeit‘ entwickelt im Video- und Computerspiel gerade deswegen ihre ganze Komplexität, weil sie grundlegend für das Was und Wie von Technik, Spiel und Erzählung ist. Die Analyse dieser verschiedenen Zeit-Aspekte zeigt einige zentrale mediale Eigenarten des digitalen Spiels, gerade auch im Vergleich mit den Zeitkonzepten anderer (erzählender) Medien.

Die fünfte Spielzeichen-Konferenz möchte aus einer interdisziplinären Perspektive Dimensionen, Bedeutungen und Funktionen von Zeit in digitalen Spielen systematisieren und in Bezug zueinander setzen. Dabei soll es auf theoretischer Ebene darum gehen, etablierte Zeitsystematiken der Game Studies auf den Prüfstand zu stellen und weiterzuentwickeln. So konzeptionalisiert die Rede von ‚game states‘ (Juul 2004), der ‚Reihenfolge von Datenmodulen‘ (Engelns 2014: 140f.) oder von ‚Ereignistemporalität‘ (Gelker 2016: 275) Zeit in digitalen Spielen als Abfolge von Ereignisketten. Unklar bleibt bei diesen Systematisierungen häufig, inwieweit das Vergehen oder Nicht-Vergehen von Zeit für konkrete Spiele tatsächlich funktional ist oder Zeit vielmehr lediglich eine Semantik bildet, mit der unterschiedliche Spielzustände aufeinander bezogen werden. Dies verweist weiter auf Fragen nach unterschiedlichen Formen der Repräsentation von Zeit im Video- und Computerspiel: Inwieweit wird Zeit symbolisch über andere Ebenen der audiovisuellen Darstellung vermittelt (etwa über Raumrepräsentationen); wann ist sie indexikalisch an die Aktionen der Spielenden gebunden; inwieweit sind auch ikonische Zeitkonzepte unabhängig von den Spielenden zu konstatieren und wie gestaltet sich das Verhältnis dieser Zeitrepräsentationen in konkreten Spieltiteln? Dabei sollen gerade auch Beispiele in den Fokus der Betrachtung rücken, welche die Zeitkonzepte des Video- und Computerspiels selbstreflexiv thematisieren wie Half-Minute Hero (Marvelous Entertainment, 2009). Schließlich soll die spezifische Zeitlichkeit des digitalen Spiels in Relation zu breiteren gesellschaftstheoretischen Diskursen diskutiert werden. Bereits Pias spricht am Beispiel von Pong von einer „Akkomodation an den fremden Rhythmus des Spiels“ (Pias 2002, 86). Nohr führt im Lichte von Henri Lefebvres Rhythmus-Theorie, nach welcher der Rhythmus eine soziale Organisationsform der menschlichen Selbstdisziplinierung darstellt, den Gedanken der motorischen Selbstoptimierung mittels der rhythmischen Steuerung der Maschine fort (Nohr 2008). Wie verhalten sich also die Zeitkonzepte digitaler Spiele zu arbeitswissenschaftlichen Diskursen, neoliberalen Konzepten der Selbstoptimierung oder Ausformungen der Deleuz’schen Kontrollgesellschaft?

Die Konferenzreihe Spielzeichen stellt jeweils einen für digitale Spiele zentralen Forschungsbereich der Medienkulturwissenschaft in den Mittelpunkt: Bei der ersten Tagung im Jahr 2014 ›Zeichen‹, 2016 ›Raum‹, 2018 ›Kultur‹ und 2021 ›Genre‹. Dem jeweiligen Themenbereich soll sich aus einer interdisziplinären Perspektive genähert werden, wobei geistes-, kultur- und medienwissenschaftliche sowie kultursoziologische Betrachtungsweisen im Fokus stehen. Dabei geht es auch um die Vernetzung medientheoretischer und inhaltsanalytischer Zugänge und deren Verknüpfung mit produktions- wie rezeptionsorientierten Forschungsperspektiven.

Mögliche Themenfelder können darstellen (sind aber nicht begrenzt auf):

  • Theoretische/methodologische Reflexionen von spielerischen Zeitkonzepten  
  • Medienspezifika von Zeitsystematiken des Video- und Computerspiels
  • Medienhistorische und kulturgeschichtliche Entwicklungen

 

  • Hardwarebedingte Zeitlichkeit vs. die Zeitlichkeit konkreter Spielpraxen
  • Zeit als Spielmechanik
  • Zeitlichkeit Spiel vs. Narration
  • Intermediale Zeitverhältnisse: z.B. spezifische filmische Zeitlichkeiten in dig. Spielen? 

 

  • Formatierungen von Zeit in unterschiedlichen Spielgenres
  • Zeit in Online-Spielen und mobilen Anwendungen
  • Heterotopien bzw. Heterochronien in Video- und Computerspielen
  • Spielbasierte Zeitreflexionen und -dekonstruktionen  

 

  • Kulturalität von Zeitkonzepten
  • Zeit in der kulturellen Wahrnehmung digitaler Spiele
  • Aspekte der zeitlichen Involvierung (Neitzel)
  • Formen der temporalen Selbstdisziplinierung
  • Zeit als Wert/Ressource
  • Zeitökonomien des Spiels

 

 

Informationen zu Organisation und Ablauf

Die Tagung wird vom 09. bis 11. Februar 2023 an der Universität Passau stattfinden.

Ihr Abstract (inkl. Vortragstitel) mit einem Umfang von max. 300 Wörtern und einen Kurzlebenslauf (wissenschaftlicher Werdegang, Publikationen) senden Sie bitte als eine PDF-Datei bis zum 10.07.2022 per E-Mail (Betreff: Spielzeichen) an: Martin.Hennig@izew.uni-tuebingen.de

Die Benachrichtigung über die Annahme der Beiträge erfolgt Ende Juli.

Die Vorträge haben eine Länge von 30 Minuten. Eine Veröffentlichung von Beiträgen ist geplant.

Für Fragen steht Ihnen der Veranstalter gerne zur Verfügung.


Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt

Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Nils Gelker] betreut – editorial-germanistik@mail.h-net.msu.edu