Das Literaturwissenschaftliche & literaturdidaktische Kolloquium des Instituts für Germanistik an der Universität Duisburg-Essen findet im Wintersemester 2021/22 jeweils mittwochs, 18h c.t., sowohl in Präsenz als auch digital via Zoom statt. Externe Gäste sind herzlich eingeladen und können sich bei Dennis Borghardt (dennis.borghardt@uni-due.de) anmelden.
Raum: R12S - R12 S03 H20 (Universität Duisburg-Essen, Universitätsstraße 2, 45141 Essen)
Zeit: Mi, 18h c.t.
Programm:
01.06.2022
Prof. Dr. Iris Kruse (Universität Paderborn) und Dr. Julian Kanning (Universität Paderborn):
Berührt und aktiviert. Holocaust-Bilderbücher und das Konzept der ‚Fragen-generierenden-Didaktik des staunenden Erschreckens‘
Literarästhetisch anspruchsvollen Bilderbüchern, die den Holocaust thematisieren, kommt hohes Aktivierungspotenzial zu für die sowohl emotionale als auch kognitive Auseinandersetzung mit dem Menschheitsverbrechen Holocaust. Die literarischen Erfahrungen, die junge Rezipient*innen mit diesem besonderen Bilderbuchgenre machen, sind in spezifischer Weise geprägt von einem Wechselspiel zwischen emotionaler Verwundbarkeit und Wissensdrang. Anhand kindlicher Rezeptionsdokumente aus dem Paderborner Projekt Kinderliteratur zum Holocaust – Erinnerungskulturelle Bedeutung und literaturdidaktische Verantwortung kann gezeigt werden, dass gerade das Zusammenwirken von Text und Bild eine starke Dynamisierung der rezeptiven Aneignung bewirkt und insbesondere das Holocaust-Bilderbuch zu einem sehr potenzialreichen Lern- und Erfahrungsgegenstand macht für einen antirassistischen Literaturunterricht in gesellschaftlicher Verantwortung. Kategorisierungen kindlicher Rezeptionsreaktion zu insgesamt acht Holocaust-Bilderbüchern lassen sich zusammen mit theoretischen Überlegungen in ein Konzept für eine Didaktik der Holocaust-Literatur bereits ab Klasse 4 überführen. An dieses im Vortrag vorzustellende Konzept der „Fragen-generierenden-Didaktik des staunenden Erschreckens“ bindet sich ein Plädoyer für mehr literaturdidaktischen Mut, den literarästhetischen Weg der erinnerungskulturellen Holocaust-Begegnung bereits mit Kindern zu begehen.
22.06.2022
Dr. Hannelore Roth (Universität Leuven):
„Denn es ist alles nicht lange her“? Das literarische Nachleben des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) in der deutschen Gegenwartsliteratur
Im Fokus dieses Vortrags steht das literarische Nachleben des Dreißigjährigen Krieges in der deutschen Gegenwartsliteratur. Obwohl dieser „Krieg der Kriege“ (Burkhardt 2018) besonders nach den beiden Weltkriegen seine ehemalige Position als „Ur-Katastrophe der Deutschen“ (Spiegel Geschichte 2011) im kollektiven Gedächtnis verloren hat, kann man heute eine auffällige Renaissance des Dreißigjährigen Krieges im deutschen intellektuellen, ästhetischen und öffentlichen Diskurs beobachten. Diese neue Faszination beschränkt sich nicht auf die Gedenkjahre 1998 und 2018. Historiker und Politologen wie Herfried Münkler konstruieren eine ganze Reihe von Strukturanalogien zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und den ‚neuen‘, ‚asymmetrischen‘ Kriegen im Nahen Osten und Afrika. Sie deuten besonders auf die Verschachtelung unterschiedlicher Konflikte konfessioneller, konstitutioneller und hegemonialer Natur hin, die durch das Eingreifen von nicht staatlich gebundenen Warlords (Milizen, Söldnern) in ständiger Bewegung seien. Während die Geschichtswissenschaft den Dreißigjährigen Krieg in den vergangenen Jahren als ein „Paradigma“ (Münkler 2017) für das einundzwanzigste Jahrhundert untersucht hat, sparte die Literaturwissenschaft das Thema aber lange aus.
Im Vortrag wird diese neue Faszination am Beispiel einiger Gegenwartsromane aus literaturwissenschaftlicher Perspektive erkundet. Dabei werden auffällige literarische Tendenzen präsentiert und untersucht, ob und wie der Dreißigjährige Krieg auch heute noch eine Rolle im deutschen kollektiven Gedächtnis spielt. Dabei stellt sich heraus, dass der Dreißigjährige Krieg besonders als eine Projektionsfläche für gegenwärtige Themen und Debatten fungiert, wie die Mediatisierung des Krieges, Fake News und die komplexe Verschränkung globaler Probleme wie (ethnischer) Gewaltkonflikte, Migration und Klimawandel. Vor diesem Hintergrund wird auch die beanspruchte ‚Aktualität‘ des Dreißigjährigen Krieges kritisch diskutiert.
29.06.2022
PD Dr. Kyung-Ho Cha (Universität Bayreuth):
Diasporische Literatur der Gegenwart
Der Begriff Diaspora dient der Fremd- und Selbstbeschreibung von allochthonen Minderheiten, die ihre historische Herkunft in einem anderen Land sehen. Ihr Selbstverständnis ist geprägt durch das Bewusstsein einer kulturellen ‚Verstreutheit‘, das einen intergenerationellen Zusammenhang stiftet und sie von autochthonen Gemeinschaften unterscheidet. Der Vortrag widmet sich Texten aus der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, in denen neue Formen der Zugehörigkeit und von Gemeinschaft entworfen werden, für die eine heterochronologische und -topologische Erfahrung von Raum und Zeit konstitutiv ist.
06.07.2022
Prof. Dr. Steffen Martus (Humboldt-Universität zu Berlin):
Literarische Plattformöffentlichkeit: das Buch des digitalen Kapitalismus
Am Beispiel der Etablierungsgeschichte von „Amazon“ untersucht der Vortrag, warum der digitale Kapitalismus am Buch seine ökonomischen Praktiken, Anschlussangebote und Konsumstrategien ausprobiert hat. Was macht das Buch in diesem Kontext zu einem prototypischen Objekt? Und was folgt daraus für die Literaturgeschichte der Gegenwartsliteratur?
Aktuelle Informationen finden sich stets auf der Website des Kolloquiums.
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Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt
Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Lukas Büsse] betreut – editorial-germanistik@mail.h-net.msu.edu
Categories: Announcement
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