Panel der Sektion „Lexikographie“ auf der Jahrestagung der GAL (Gesellschaft für Angewandte Linguistik e. V. ) in Würzburg, 28.-30. September 2022
Einreichung bis 15.5.2022 über Conftool (https://www.conftool.pro/gal2022/).
„Und während der Lexikograph sein Werk verfaßt, bewegt sich der Boden unter seinen Füßen“. Mit diesen Worten beschrieb Lorenz Diefenbach (1873) ein grundlegendes Dilemma der gegenwartssprachlichen Lexikographie: Wörterbücher versuchen einen Gegenstand festzuhalten, der sich beständig erneuert, sie werden vom Wortschatz somit gewissermaßen immer wieder eingeholt. Zum „schwankenden Boden“ unter den Füßen der Lexikographen gehört indes nicht nur der sich stets wandelnde Beschreibungsgegenstand selbst, auch die Arbeitsgrundlagen sind oftmals einschneidenden Veränderungen unterworfen. Und nicht zuletzt wandelt sich auch die Lebenswelt, in der Lexikographinnen und Lexikographen Wörterbücher erarbeiten. Da die Umwälzungen der gesellschaftlichen Realität mit Wortschatzwandel einhergehen, ergeben sich hieraus anspruchsvolle Fragen und Aufgaben für die Lexikographie, je nach Projekt in unterschiedlichem Maße und unterschiedlicher Weise.
In der diesjährigen Lexikographie-Sektion der GAL geht es somit um den Themenkomplex „Sprachdynamik“. Dabei soll zum einen die Frage nach Zusammenhängen und Verflechtungen zwischen gesellschaftlichem Wandel, Wortschatzwandel und Wörterbuchdarstellung Thema sein; hier wäre konkret etwa nach bestimmten Kommunikationsbereichen und -themen (Internationalisierung, Diversität, geschlechtergerechte Sprache, Migration, Pandemie, Rechtspopulismus, Klimawandel usw.) zu fragen, die nicht nur im Bewusstsein der Sprachgemeinschaft stark präsent sind, sondern die auch eine erhebliche lexikalische Dynamik in Gang setzen und daher zumindest für die Lexikographie des Gegenwartsdeutschen mit all seinen Varietäten von Bedeutung sind. Zum anderen soll auch ganz allgemein das Verhältnis von sprachlichem Wandel und Wörterbuchdarstellung in den Blick genommen werden. So kann etwa danach gefragt werden, wie das Veralten und die Erneuerung von Sprache, wie Archaismen und Neologismen in einzelnen Wörterbüchern bzw. in bestimmten Typen von Wörterbüchern reflektiert werden. Unter dem Stichwort Dynamik kann schließlich auch der Wandel lexikographischer Darstellungsformen und lexikographischer Produkte selbst thematisiert werden: Wie reagieren Wörterbücher im Laufe ihrer Erarbeitung auf sich verändernde Grundlagen und Rahmenbedingen konzeptioneller, technischer oder auch finanzieller Art? Zu thematisieren wäre dabei u.a., wie speziell längerfristig angelegte Vorhaben mit der Spannung zwischen einer zu bewahrenden Werkeinheit und sich wandelnden Voraussetzungen und Ansprüchen umgehen.
Unter den zahlreichen Facetten, die das Thema Sprachdynamik eröffnet, halten wir für die Vorträge in unserer Sektion unter anderem (und keinesfalls ausschließlich) Fragestellungen wie die folgenden für besonders lohnend:
- Wie werden rezente, aber auch weiter zurückliegende Entwicklungen im Wortschatz/in der Gesellschaft im Wörterbuch reflektiert?
- Wie reagieren Wörterbücher auf sich ändernde Ansprüche und Interessen der Sprachgemeinschaft?
- Welche Rückschlüsse auf und Erkenntnisse für die sich wandelnde gesellschaftliche Realität lässt die lexikographische Darstellung von Sprachdynamik möglicherweise zu?
- Wie wird der Veränderung von Sprache im gegenwartssprachlichen Wörterbuch (speziell in Bezug auf Neologismen und Archaismen) Rechnung getragen?
- Wie gehen Wörterbücher grundsätzlich mit Wortschatzwandel um?
Willkommen sind Beiträge aus allen Arbeitsbereichen der Lexikographie und Wortschatzdokumentation (gegenwartssprachliche und historische Lexikographie, allgemeinsprachliche und varietätenbezogene Lexikographie usw.). Die Vorträge können dabei sowohl lexikographisch-praktische als auch metalexikographische Perspektiven einnehmen. Willkommen sind auch Vorschläge von außerhalb des engeren Fachdiskurses (wie Journalismus, Sprachberatung, (Hoch-)Schule, Verlagswesen) sowie Beiträge, die bislang unbearbeitete Phänomene der Wortschatzdynamik thematisieren bzw. lexikographische Desiderate benennen.
Einreichungen über Conftool (https://www.conftool.pro/gal2022/), Informationen zur GAL-Tagung unter https://gal-wue22.de/.
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Redaktion: Constanze Baum – Lukas Büsse – Mark-Georg Dehrmann – Nils Gelker – Markus Malo – Alexander Nebrig – Johannes Schmidt
Diese Ankündigung wurde von H-GERMANISTIK [Mark-Georg Dehrmann] betreut – editorial-germanistik@mail.h-net.msu.edu
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