Fristverlängerung: Der Liebesroman im 21. Jahrhundert? Bydgoszcz, Polen, 15-16.09.2016

Rafal Pokrywka Announcement
Location
Poland
Subject Fields
German History / Studies, Literature

Wissenschaftliche Tagung

Der Liebesroman im 21. Jahrhundert?

Bydgoszcz, 15.-16. September 2016

Veranstaltung: Dr. Rafał Pokrywka

Der Liebesroman wird häufig als vergessenes bzw. erschöpftes Thema der Literaturwissenschaft angesehen. Da seine Gattungsbestimmung (als Roman über Liebe) sowie die stilistischen Merkmale des Genres, seine typische Motivsammlung und nicht zuletzt seine potenzielle Leserschaft nach allgemeiner Auffassung schon seit Langem definiert sind, kann eine Diskussion über das Schreiben und Lesen von Liebesromanen als nur bedingt berechtigt und lediglich auf einige Aspekte begrenzt erscheinen. Die Liebe ist nach wie vor ein wichtiger Bezugspunkt der Kulturwissenschaft, somit kommt dem Liebesroman als sprachlicher Darstellung, als geschriebener Realisierungsform des Gefühls – mit allen Konsequenzen für die (post)moderne Liebeskultur – die Stellung eines Mediums zu, das über den Wandel der Liebeskultur berichten soll. Was dabei nicht selten übersehen wird, ist die Stellung des Genres, verstanden jedoch nicht als poetische Form und sprachlicher Ausdruck, sondern als Träger von Bedeutung an sich. Folgende Fragen haben dabei nicht an Aktualität verloren und sollen im Rahmen der Konferenz in breiteren Kontexten erörtert werden:

1. Die Gattungsbestimmung des Liebesromans. Wann lässt sich vom Liebesroman als Genre sprechen? Was/wer entscheidet darüber, dass der jeweilige Text als Liebesroman bestimmt, etikettiert, gelesen wird? Hängt die Bezeichnung Liebesroman vom entsprechend „großen Anteil des Liebesmotivs“ in der Handlung oder vielleicht von anderen, auch außertextlichen Faktoren ab? Wie verändert das Etikett Liebesroman in der Werbung, in den Medien bzw. auf dem Buchumschlag die Rezeption des Textes? Welche Aspekte werden hervorgehoben, welche dagegen vernachlässigt? Existiert das Genre Liebesroman tatsächlich als Schreibkonvention oder wird es nur von mächtigen Instanzen (Kritikern, Verlagen) oder Interpretationsgemeinschaften produziert?

2. Das Schreiben des Liebesromans. Die Produktion von Texten, die als Liebesromane gelten können, sollen im Kontext intertextueller Bezüge und der „Einflussangst“ interessieren. Der Liebesroman operiert mit Gefühlen und Gefühlsausdrücken, balanciert am Rand des Abgrunds, in dem sich Kitsch, Sentimentalität und Tragödie auf eine wenig überraschende Art und Weise vermischen. Ob Liebe überhaupt, und wenn ja, wie originell erzählt und gemessen werden kann oder soll, ist wahrscheinlich das größte Problem der AutorInnen. Die alten Konventionen des Genres wurden häufig aufgenommen, aufgegeben, verarbeitet oder verwandelt und bedürfen vielleicht keiner Eingriffe mehr. Ist das Schreiben von Liebesromanen heute als Flucht vor literarischen Einflüssen (bzw. herkömmlich begriffenen Konventionen) oder aber als resigniertes Epigonentum zu verstehen, das sich seiner Schwächen und Beschränkungen bewusst ist? Kann die große epische Form Roman zur Beschreibung der Liebe in der Epoche der „kleinen Erzählungen“ noch Anwendung finden?

3. Das Lesen des Liebesromans. Wie wird gelesen? Liebesromane erwecken nicht länger (oder selten) ähnliche Reaktionen, wie sie die Veröffentlichung des Werthers hervorrief. Was suchen Rezipierende in derartigen Texten? Unterscheiden sie sich von anderen LeserInnen, beispielsweise von LeserInnen anderer Romangenres, von LiebhaberInnen der Poesie oder des Theaters, die das Problem der Liebe ebenso fokussieren? Wie entstehen Lese- bzw. Interpretationsgemeinschaften, in denen Liebesromane auf spezifische Weise gelesen und klassifiziert werden? In welchen Kontexten lesen KritikerInnen und wie beeinflussen sie die Lektüren anderer?

4. Die Wertung des Liebesromans. Wahrscheinlich balanciert kein anderes Genre so äquilibristisch über besagtem Abgrund, zwischen zwei Extremen der künstlerischen Wertung. Folgende Fragen stellen sich: Wo lässt sich die Grenze zwischen der Trivialliteratur und der sogenannten schöngeistigen Literatur ziehen? Auf welche Weise und wie oft werden diese Grenzen verschoben? Hat die Trivialliteratur den Liebesroman schon völlig vereinnahmt? Wie wirken stilistische Wertmaßstäbe in diesem Kontext? Wie reagiert die Kritik auf die Erscheinung Liebesroman? Mit welchen Maßstäben wird sein Wert gemessen? Bleiben für den „hohen“ Liebesroman nur die Darstellungen der unglücklichen und unerfüllten Liebe, die kontroversen bzw. tabubelegten oder aber die „nicht-effektvollen“ (Ehe, Kinder, Alter) Aspekte der Liebeskultur übrig? Ist die Liebe als Darstellungsphänomen ein Gegenstand des Kampfes zwischen der „populären“ und der „hohen“ Literatur? Oder geht es vielleicht um einen Machtkampf zwischen KritikerInnen und Lesegemeinschaften als AkteurInnen des gegebenen literarischen Felds?

5. Der Liebesroman als Produkt. Wie werden Liebesromane verkauft? Welche Verfahren werden von AutorInnen, Verlagen und Buchhandlungen angewendet, um den jeweiligen Text als Liebesroman bzw. als guten Liebesroman zu verkaufen oder aber einen Liebesroman als „Nicht-Liebesroman“ bzw. „Roman über etwas mehr“ zu etikettieren? Wie müssen Liebesromane aussehen, welches Cover sollen sie haben, was sollte in den Klappentexten stehen? Welche Leserschaft wird durch die genannten Strategien angestrebt? Inwiefern haben die AutorInnen Anteil an der Gestaltung des Äußeren ihrer Texte und am Stil der geführten Propaganda? Wie beeinflussen literarische Preise, vor allem der Deutsche Buchpreis, den Verkauf und die Bewertung von Liebesromanen?

6. Der Liebesroman und der Wandel der Liebeskulturen. In seiner kommerziellen Dimension scheint das Genre dem „Konsum der Romantik“ (Eva Illouz) gewachsen zu sein, indem es die Gestaltung der kollektiven Utopie der Liebe in der kapitalistischen Gesellschaft sowohl erkundet als auch stimuliert. Eine weitergehende Frage betrifft die Stellung des Liebesromans angesichts des Wandels der Liebeskulturen, seine Einwurzelung im romantischen Mythos, seine Fähigkeit, die „Sprache der Liebe“ (Roland Barthes), verstanden als Kulturdiskurs, zu erweitern bzw. auf gewisse Aspekte einzugrenzen. Wie wird der Liebesroman dem Bedürfnis der Kultur nach sprachlichem Ausdruck gerecht, wie reagiert er auf die Dynamik der Kulturprozesse, in denen die Liebe nicht nur ein intimes Gefühl sondern auch kollektives Phänomen, Text, Ware und gesellschaftliches Projekt darstellt – dies sind Fragen, die heute wohl mehr als je zuvor nach einer Antwort verlangen.

7. Der Liebesroman in der Literatur-/Kulturwissenschaft. Wie wird geforscht? Was wird fokussiert? Sind manche der oben angeführten Fragen vielleicht bereits erschöpfend von der Literaturwissenschaft beantwortet? Welchen Stellenwert hat der Liebesroman in der Poetik, in der Narratologie, in der Gattungsforschung? Ist die Bezeichnung Roman von Bedeutung für die Kulturwissenschaft oder werden Liebesromane nur als Teil der umfassenden Erscheinung Liebesliteratur betrachtet?

Die Konferenz konzentriert sich auf deutschsprachige Liebesromane nach 2000 und fokussiert in Bezug auf diese auch das Schaffen in anderen Sprachen, z. B. hinsichtlich der Stellung in der Weltliteratur, der intertextuellen Bezüge usw.

Wir laden ein, Ihre Exposés bis zum 31. Mai 2016 an die Mailadresse liebesromanbydgoszcz@gmail.com zu senden. Eine Bestätigung der Annahme Ihres Exposés erfolgt im Mai. Die Konferenzgebühr beträgt 300 PLN (75 €). Ein Sammelband mit den Konferenzbeiträgen ist geplant.

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